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Direktimporte aus China via AliExpress, Temu oder Wish setzen etablierte Hersteller und lokale Händlerinnen und Händler durch vermeintliche Schnäppchen unter Druck. Doch wie mies ist die Qualität der Importware wirklich?

Billigware von AliExpress, Temu, Wish & Co. im Check
Der Finger kreist über dem „Kaufen“- Button, das Angebot ist einfach zu gut: Wer bei Billig-Online-Shops wie AliExpress, Temu, Wish und Co. – und nicht selten auch bei Amazon oder Ebay – Fotozubehör shoppt, stolpert früher oder später auf Angebote, die zu günstig sind, um wahr zu sein.
Egal, ob Akku und Ladegerät, Stativ und Filter oder Blitzgerät und Studiolicht: Die Plattformen bieten all dieses beim Händler teure Zubehör zu unglaublich niedrigen Preisen an. Wie das möglich ist? Ganz einfach: Alle diese Plattformen – Amazon mit seinen Marketplace-Angeboten zumindest teilweise – dienen als Marktplatz:
Die eigentlichen Anbieter pflegen hier ihre Produkte ein und versenden sie in vielen Fällen direkt aus Fernost. Wer auf einer dieser Plattformen kauft, kauft also nicht bei den Marktplätzen, sondern beim jeweiligen Anbieter – einem Anbieter, der in aller Regel in China sitzt und von dort aus seine eigenen Produkte oder Waren anderer chinesischer Hersteller verkauft.
China ist die Fabrik der Welt
Natürlich ist China bekanntermaßen die Fabrik der Welt. Im Grunde wird hier ein Großteil der preiswerten – und oft auch höherpreisigen – Konsumgüter für den europäischen oder amerikanischen Markt produziert.
Andererseits lassen auch selbst namhafte Hersteller hier produzieren. Und so manche günstigere Marke kauft hier sogenannte OEM-Ware (engl. für Original Equipment Manufacturer, übersetzt: Originalgerätehersteller) ein – und lässt einfach das Logo aufbringen.
Wieso also nicht einfach die ganzen teuren Zwischenschritte sparen – und via Temu quasi beim Fabrikverkauf direkt in China shoppen? Grundsätzlich ist dagegen erst einmal nichts einzuwenden.
Allerdings sollte man gerade bei Fotozubehör im Kopf behalten, dass die Direktimporte aus China – neben oft langen Versandzeiten – einige nicht von der Hand zu weisende Unwägbarkeiten mitbringen.
Das wohl größte Problem sind die oft fehlenden europäische Sicherheits-, Qualitäts- und Umweltstandards: Das vermeintliche Billig-Produkt kann durchaus hochwertig, zuverlässig und umweltfreundlich sein – oder auch nicht.
Eine Chance, das vorab zu prüfen, haben Kunden in der Regel nicht, sofern sie nicht zu Markenware greifen – und die ist auf diesen Plattformen zwar günstiger, aber eben auch nicht immer wirklich billig.
Abgesehen davon kann dann nicht sichergestellt werden, ob es sich nicht um „abgezweigte“ Stücke aus der Originalproduktion, Ausschussware oder sogar minderwertige Raubkopien handelt.
Produktsicherheit und Qualität

Spätestens hier kommen dann auch Aspekte der Produktsicherheit zum Tragen: Gerade bei elektrischen und elektronischen Geräten – also etwa Akkus oder Studioleuchten – kann die Streuung groß sein: Von „hervorragendes Schnäppchen“ über „funktioniert“ bis zu „gefährlich für Leib und Leben“ ist alles drin.
Wenn eine Kabelisolierung brüchig ist oder ein Akku sich aufbläht oder explodiert, kann es schnell gefährlich werden. Aber auch bei Produkten ohne Strom sind Gefahren nicht ausgeschlossen: Ein wackliges Stativ, bei dem man sich erst die Finger klemmt, damit es danach die 2000-Euro-Kamera unsanft auf den Asphalt legt, ist zwar nicht lebensgefährlich, aber extrem ärgerlich.
Und dann sind da die Kundendienst- und Umwelt- Aspekte: Wer ist in Gewährleistungs- oder Garantiefällen zuständig? Wer haftet bei gefährlichen Mängeln? Und nicht zuletzt: Wie kann der Kram letztendlich entsorgt werden?
Hier schützen leider auch die in den Angeboten oft beworbenen CE- und TÜV-Label nicht, denn diese sind entweder gefälscht oder schlicht unter wenig vertrauenerweckenden Bedingungen selbst zertifiziert.
Tricksereien beim Zoll
Interview-Partner Michael Fischer von Kaiser Fototechnik wies uns zudem darauf hin, dass viele der Versender aus China die Zoll-Freigrenze von 150 Euro nutzen, um deutlich hochpreisigere Waren einzuschmuggeln:
Auf dem Paket deklariert wird ein Warenwert von maximal 150 Euro. Fliegt der Schwindel auf, kann das für Käufer teure Konsequenzen haben. Immerhin: Die Mehrwertsteuer wird von AliExpress, Temu, Wish und Co. inzwischen aufgeschlagen und (hoffentlich korrekt) abgeführt.
Einige erfolgreichere Hersteller und Händler auf diesen Fernost-Marktplätzen behelfen sich übrigens wegen der Versandkosten und des Zolls inzwischen mit Lagern in Europa: Statt jede Bestellung einzeln aus China zu verschicken und durch den Zoll zu bringen, wird direkt aus Europa versendet.
Für Kunden ist das gut, bedeutet das doch kurze Versandwege und keinen Ärger mit dem Zoll. Wer entsprechende Angebote nutzt, sollte deshalb also darauf achten, dass die Waren direkt aus der EU verschickt werden.
Oftmals handelt es sich hier aber um Lagerhäuser und Logistikzentren, die einfach den Vertriebsweg verkürzen sollen – die eigentlichen Anbieter sitzen nach wie vor in China und sind im Fall der Fälle mit hoher Wahrscheinlichkeit schlecht erreichbar.
Alles Mist aus China?
All diesen Problemen zum Trotz gibt es aber durchaus auch Dinge, die es an den chinesischen Direktmarktplätzen zu loben gibt: So sind hier zum Beispiel Produkte bekannter Fernost-Zubehörhersteller wie Anker, Neewer oder K&F Concept in vielen Fällen deutlich günstiger zu haben, als es etwa bei den etablierten Foto- und Elektronikmärkten der Fall ist.
Und obwohl die oft wildwestmäßigen Superschnäppchen mit Countdown oder glücksspielartige Produktvermarktung den Wettbewerbshütern der EU und so manchem Hersteller oder Händler zurecht ein Dorn im Auge sind, gibt es für Kundinnen und Kunden hier enormes Sparpotenzial. Insbesondere bei namhaften Herstellern, deren Produkte ohnehin aus China kommen.
Wenn es um Ware aus China geht, steht neben den Qualitätsaspekten vor allem das Problem des Supports im Raum:
- Wer ist Ansprechpartner, wenn etwas kaputtgeht,
- wer ist haftbar, wenn sich sogar jemand am Produkt verletzt?
- Und wer hilft, wenn Hilfe bei einem Produkt benötigt wird?
Ab dem 13.12.2024 ist es deshalb Vorschrift, dass eine europäische Kontaktadresse für in der EU vertriebene Produkte angegeben wird. Ob und inwieweit sich die Direktimporteure daran halten werden, ist fraglich. Zumal das Vorhandensein einer solchen Adresse nicht zwingend bedeutet, dass der Ansprechpartner im Fall der Fälle auch reagiert.
DigitalPHOTO-Fazit
Grundsätzlich spricht inzwischen nichts dagegen, Plattformen wie AliExpress, Temu oder Wish zu verwenden – sofern man weiß, was man möchte und nicht unbedingt Wert auf Kundenservice legt.
Bei elektrischem und elektronischem Fotozubehör sollten Sie aber darauf achten, dass es sich um bekannte Fernost-Marken handelt. Gerade bei Kamerazubehör entscheidet aber die Qualität – und hier schlägt nach wie vor nichts das Sortiment des Foto-Fachhandels.