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Autofokus als Schlüsseltechnologie der Fotografie: Funktionsweise, Autofokussysteme & mehr

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Ein richtig gut funktionierender Autofokus kann uns Foto-Enthusiasten das Leben deutlich erleichtern. Und so konkurrieren die Hersteller heute immer stärker im Hinblick auf innovative Fokus- Technologien. Doch wie genau funktioniert der Autofokus eigentlich und wo liegen seine Ursprünge?

Der Autofokus erklärt

Uns Foto-Fans könnte man mittlerweile regelrecht „verwöhnt“ nennen, was die Autofokussysteme unserer Kameras angeht. Noch vor wenigen Jahren begnügten wir uns mit einigen wenigen Autofokuspunkten in der Bildmitte, die vor allem bei schlechtem Licht eher ein „vielleicht scharf, vielleicht auch nicht“ waren, als solide Hilfsmittel zur verlässlichen Fokussierung.

Heute erkennen Kameras die Augen von Menschen und Tieren und können diese sogar in Bewegung fokussieren. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie selbst mit relativ teuren Spiegelreflexkameras der Fokus bei offenblendigen Porträts eher auf der Nasenspitze anstatt auf dem anvisierten Auge des Models landete.

Zu groß waren die einzelnen Fokuspunkte, zu unpräzise die Ausführung. Immer wieder setzte ich daher lieber auf manuellen Fokus. Wenige Jahre später aber hat sich das Blatt gewendet. Bei modernen Kameras können Sie sich heute in der Regel auf den Autofokus verlassen – die manuelle Kontrolle ist kaum mehr nötig.

Schauen wir uns doch einmal genauer an, wie diese Schlüsseltechnologie der Fotografie überhaupt entstand und welche Besonderheiten für Sie wissenswert sind.

Die Geschichte des Autofokus

Das Thema Autofokus ist zwar heute nicht mehr wegzudenken, doch liegen seine Anfänge gerade einmal 45 Jahre zurück:

Wir schreiben das Jahr 1977, als mit der Konica C35 AF die erste Autofokuskamera auf den deutschen Markt kam. Sie arbeitete bereits mit der Überlagerung zweier Teilbilder, nach einem Prinzip also, das wir noch heute von modernen Phasendetektionssystemen kennen.

Ganz anders funktionierte hingegen die Polaroid SX-70 Sonar, die mit einem Ultraschall-Autofokussystem aufwartete – ein System mit Vor- und Nachteilen, das sich in der Fotografie allerdings nicht durchsetzen konnte.

1981 erschien mit der Pentax ME F die erste in Serie hergestellte Spiegelreflexkamera für 35mm-Film. Durchschlagenden Erfolg am Markt hatte der Autofokus als Technologie allerdings erst 1985, als die Minolta 7000 AF erschien, die von Mikroprozessoren gesteuert wurde – eine echte Revolution.

Sie markierte nicht nur die erste Spiegelreflexkamera mit vollständig in das Gehäuse integriertem Autofokussystem, sondern überzeugte (entgegen den damalig vorherrschenden Annahmen, dass Profis keinen Autofokus nutzen würden) auch Enthusiasten und Foto-Profis.

1986 erschien die F-501 und damit die erste SLR mit einem im Kameragehäuse integrierten AF-Motor aus dem Hause Nikon, zwei Jahre später die F4 – das erste „professionelle“ Modell mit Autofokus des Herstellers. Canon kam mit dem EF-Bajonett 1987 auf den Markt und hier steckte der Fokusmotor bereits im Objektiv.

Die Entwicklung von Ultraschallmotoren sicherte Canon den Technologievorsprung. Die übrigen Hersteller mussten nachziehen. Innovationen wie etwa der „prädiktive Autofokus“, bei dem die Kamera im Grunde die Geschwindigkeit und die Bewegungsrichtung des Motivs „vorhersagen“ kann, leisteten ihren Beitrag zum Erfolg des Autofokus.

Diese Technologie wurde erstmals 1989 in der analogen Canon EOS RT realisiert (und später „AI Servo“ getauft). Heute wird diese Art des Fokussierens von praktisch allen Herstellern unter unterschiedlichen Bezeichnungen vor allem für die Sport- und Actionfotografie eingesetzt.

Es sollte aber noch bis Ende der 1990er Jahre dauern, ehe mit Kameras wie der Nikon F5 und den entsprechenden AF-S-Objektiven der Autofokus in puncto Schnelligkeit und Genauigkeit den manuellen Fokus schließlich klar überholte.

Anfang der 2000er Jahre begann der Siegeszug der digitalen Signalverarbeitung und mit ihm die rasante Entwicklung neuer Technologien im Bereich Autofokus und Prozessoren. Insbesondere letztere sind es, die heutige Autofokussysteme so leistungsfähig machen.

Dank ihrer Rechenleistung lassen sich Aspekte wie Motiverkennung und Fokusberechnungen innerhalb von Millisekundenbruchteilen überhaupt erst realisieren. Doch anfangs begnügten sich Modelle wie die Canon 300D (2003) oder die Nikon D70 (2004) noch mit sieben beziehungsweise fünf Phasendetektions-Autofokuspunkten.

Pentax brachte 2004 in der „Pentax *ist DS“ immerhin elf Fokuspunkte unter. Heute reißt das niemanden mehr vom Hocker, doch damals waren diese Kameras wegweisend.

Autofokussysteme: Welchen Autofokus wählen?

Grundsätzlich lassen sich Autofokussysteme in aktive und passive Systeme unterteilen. Aktive Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Ultraschall-, Laser- oder Infrarotsignal zum Objekt senden, dessen Reflexionen von der Kameraelektronik ausgewertet werden, um mithilfe dieser Informationen (zum Beispiel Abstand oder Winkel) das Motiv scharfzustellen.

Diese Technologien bieten insbesondere den Vorteil, dass sie teils sogar bei völliger Dunkelheit funktionieren – allerdings nur innerhalb eines Motivabstands von wenigen Metern. Die bereits erwähnte SX-70 nutzte ein solches aktives System.

Heute haben sich vor allem passive Systeme durchgesetzt, die sich kompakter und günstiger herstellen lassen, da sie keinen „Sender“ benötigen. Allerdings brauchen diese Systeme genügend Helligkeit (beziehungsweise empfindliche Sensoren) oder einen ausreichenden Motivkontrast.

Bei den passiven Systemen wiederum finden wir vor allem zwei Technologien:

  • die Kontrastmessung und
  • die Phasendetektion.

Bei der Kontrastmessung wird der Fokusring vor- und zurückgedreht, bis der Kontrast des Motivs am höchsten erscheint. Das Prinzip kennen Sie von der manuellen Fokussierung, wo Sie ähnlich vorgehen und ein wenig „hin und her“ fokussieren, bis Sie das Motiv scharf sehen – wenn dies bei automatischen Systemen passiert, sprechen wir auch vom sogenannten „Pumpen“ des Autofokus.

Ein separates Fokusmodul kann bei dieser Technologie entfallen, da die Kontrastmessung auf Sensorebene erfolgen kann. Die einstigen Geschwindigkeitsnachteile der Kontrastmessung sind dank fortschreitender Prozessorkapazitäten mittlerweile praktisch irrelevant geworden.

Die Phasendetektion kennen wir vor allem aus Spiegelreflexkameras. Hierbei werden Lichtstrahlen über den Spiegel nicht nur in den Sucher, sondern auch in ein gesondertes Fokusmodul gelenkt, das, vereinfacht ausgedrückt, mittels Überlagerung zweier Teilbilder auswertet, wann das Motiv scharf abgebildet ist.

Lange war die Phasendetektion der Kontrastmessung gerade in puncto Geschwindigkeit überlegen, da nur eine einzige Messung nötig ist. Durch die Verwendung sehr vieler Phasendetektionsfelder lässt sich auch eine Motivverfolgung sehr gut umsetzen. Der konstruktive Aufwand ist logischerweise größer, der Platzbedarf ebenfalls. Außerdem ist hier das Risiko der Fehlfokussierung höher, sei es durch Ungenauigkeiten des Fokusmoduls oder des Objektivs.

Autofokus-Glossar:

Im Bereich des Autofokus stolpern Sie sicher immer wieder über Begriffe und Abkürzungen, die sich nicht auf Anhieb erschließen lassen. Wir fassen einige der häufigsten Fachbegriffe deshalb hier für Sie zusammen.

  • AF-A: Abkürzung für „Autofokus- Automatik“. In diesem Modus wählt die Kamera automatisch AF-S bei unbewegten und AF-C bei bewegten Motiven aus.
  • AF-C: Abkürzung für „Autofocus Continuous“, also kontinuierlicher oder Nachführ-Autofokus; wird primär für bewegte Motive genutzt.
  • AF-S: Abkürzung für „Autofocus-Single“, also Einzelautofokus; geeignet für statische Motive.
  • AI FOCUS: Abkürzung für „Artificial Intelligence Autofocus“; Canons Version des AF-A, bei dem die Kamera über den Modus entscheidet.
  • AI SERVO: Siehe auch Nummer 4, AI-Servo ist die Canon-Variante des kontinuierlichen Autofokus.
  • DMF: Abkürzung für „Dynamischer Manueller Fokus“ (Sony). In diesem Modus kann trotz aktiviertem Einzel-Autofokus jederzeit manuell eingegriffen werden.
  • HSM: Abkürzung für „Hyper Sonic Motor“ (Sigma); für Ultraschallmotoren in Ring- oder Mikromotor-Ausführung.
  • MF: Abkürzung für „Manueller Fokus“; keine automatische Fokussierung.
  • ONE-SHOT AF: Steht beim Hersteller Canon für Einzelbild-Autofokus (siehe AF-S).
  • REAL-TIME EYE AF: Steht für „Echtzeit-Augen-Autofokus“ (Sony); hierbei erkennt die Kamera Augen von Menschen und Tieren und verfolgt diese auch bei Bewegung in „Echtzeit“.
  • STM: Kurz für „Steppermotor“ (Schrittmotor); häufig genutzter Objektivmotor.
  • SWM: Kurz für „Silent Wave Motor“ (Nikon); bezeichnet ringförmige Ultraschallmotoren.
  • USM: Kurz für „Ultraschallmotor“ (Canon); ringförmige Ultraschallmotoren; auch SDM (Pentax), HSM (Sigma), USD (Tamron)

Autofokus im Vergleich: CSC vs. DSLR

Auch wenn sich die Phasendetektion bei den meisten Herstellern durchgesetzt hat, ist die Implementierung systemabhängig. DSLRs nutzen Fokusmodule, spiegellose Systemkameras im Idealfall hingegen den gesamten Bildsensor.

Dual Pixel AF: Links sehen Sie den Sensor der Canon EOS RS3. Diese spiegellose Systemkamera bietet die Dual-Pixel-AF-Technologie, bei der knapp 80 % der Bildsensoroberfläche mit DPAF-Sensoren abdeckbar ist.

Fokusmodul: Das hier gezeigte separate Fokusmodul der Canon EOS-1D X Mark III bietet 191 Phasendetektions- Autofokuspunkte, doch konzentrieren diese sich auf die mittleren zwei Drittel des Bildausschnitts.

Hybrider Autofokus: Einführung von LiveView

Jahrelang galt: In Kompakt- und spiegellosen Kameras finden wir Kontrastmessung, bei DSLRs Phasendetektion. Seit Einführung von LiveView werden die Systeme aber „hybrider“, sprich: Beide Systeme werden hierbei kombiniert.

Bei Spiegelreflexkameras wird der Spiegel hochgeklappt und der Autofokus dann anstatt mit Phasendetektion im Fokusmodul auf Sensorebene ausgeführt (Kontrastmessung). Den nächsten großen Schritt in Richtung hybrider Systeme sind die Hersteller seit dem Erfolg spiegelloser Systemkameras gegangen, bei denen die Vorteile beider Systeme vereint werden.

So finden sich Kontrastmessungs- und Phasendetektionspunkte direkt auf der Sensorebene. Das Risiko fehljustierter Fokusmodule wird minimiert und je nach Motiv (Helligkeit, Kontrast, Position im Ausschnitt usw.) kann das für die entsprechenden Motivsituationen am besten geeignete System genutzt werden.

Wie die Hersteller das im Einzelnen machen, ist unterschiedlich. Häufig werden bestimmte Punkte auf dem Bildsensor durch Miniatur-Autofokusmodule ersetzt. Canon geht mit seinem Dual-Pixel-Fokus noch einen Schritt weiter und verpasst jedem Pixel zwei Subpixel.

Dadurch wird die Phasendetektion (also das Übereinanderlegen zweier Teilbilder) theoretisch an fast jeder Stelle des Sensors möglich. Spiegellose Systemkameras sind nicht zuletzt wegen der Implementierung beider Autofokussysteme direkt auf der Sensorebene auf dem Vormarsch – zu stark sind die Argumente im Vergleich zu DSLRs mit ihren Schwingspiegeln und separaten Fokusmodulen.

Die Evolution der Fokuspunkte

Man könnte manchmal das Gefühl bekommen, dass bezüglich der Autofokuspunkte das Motto gilt: „Viel hilft viel!“. Und tatsächlich ist an dieser Annahme etwas dran. Viele Autofokuspunkte erhöhen die Präzision, doch ebenso wichtig ist es, wo Sie im Bildfeld sitzen. Bei DSLRs sind sie systembedingt in der Mitte zu finden, bei CSCs sind sie deutlich weiter verteilt – sodass Motive über größere Bereiche hin fokussiert werden können.

  • Nikon D750: 51 Punkte Das Fokussystem der D750 ist schnell und präzise, doch finden sich die 51 Phasendetektionspunkte vor allem in der Mitte des Bildausschnitts, wie Sie im Sucherbild unten sehen können.

  • Nikon D6: 105 Punkte Das Profimodell bietet nicht nur mehr als doppelt so viele Autofokuspunkte wie die D750, ihre 105 Kreuzsensoren sind auch deutlich weiter über den Bildausschnitt verteilt.

  • Nikon Z 7: 493 Punkte Da kann eine DSLR einfach nicht mithalten: Nikons spiegellose Z 7 bietet fast auf ihrer gesamten Sensoroberfläche 496 Phasendetektionspunkte zur Fokussierung.

Autofokus weitergedacht

Autofokussysteme sind nach ihren Startschwierigkeiten längst zu weit mehr als nur einem wichtigen Teil der fotografischen Technik geworden. Sie sind nicht mehr wegzudenken, wenn es um Sport- oder Actionfotografie geht. Der Ausschuss bei Porträts wird immer geringer, weil Kameras nun Augen erkennen – auch die von Tieren.

Autofokussysteme stellen sich automatisch darauf ein, welches Motiv sie „erkennen“: Menschen, Tiere, Autos – die Fähigkeiten werden laufend ausgebaut. Autofokus dürfte eines der großen Innovationsfelder der Fotoindustrie sein.

Nun ist vieles davon eine Frage von Software und Programmierung, doch was nützt die beinige anreißen wollen. Da wäre zunächst der bereits erwähnte „Dual Pixel CMOS Autofokus“ von Canon: Zwar basiert dieses System auf der bekannten Technologie der Phasendetektion, doch durch ein innovatives Sensordesign wird die Leistungsfähigkeit signifikant gesteigert.

An praktisch jeder Stelle des Kamerasensors können Autofokusmessungen vorgenommen werden. Die zwei Subpixel eines jeden Pixels ermöglichen etwa die Schärfenachführung fast im gesamten Bildausschnitt – ganz ohne das störende Pumpen eines kontrastbasierten Autofokussystems.

Es kann zudem sehr genau arbeiten, was schon an der Zahl der Fokuspunkte deutlich wird: Der Sensor der EOS 5D Mark IV bietet beispielsweise eine Auflösung von 6.720 × 4.480 Pixeln. Die Auslegung von etwa 80 % des Bildausschnitts als Dual-Pixel ergibt 5.376 × 3.584 Pixel – also mehr als 19 Millionen (!) theoretische Pixel mit Autofokus-Kapazitäten.

AI – die Zukunft?

Das Schlagwort „AI“ taucht in Verbindung mit modernen Autofokussystemen immer häufiger auf. Warum eigentlich und was genau bedeutet das Kürzel?

AI steht (wie Sie in unserem Glossar gelesen haben) zunächst einmal für „Artificial Intelligence“, also für künstliche Intelligenz. Was hat dies nun mit Autofokus zu tun?

Stellen Sie sich Objektive wie unsere Augen vor und den Kameraprozessor wie unser Gehirn. Wir können blitzschnell Bewegungen erfassen und fokussieren und wir verfügen über eine „Motivdatenbank“ immensen Umfangs, mit deren Hilfe wir verlässlich unterschieden können, ob wir einen Hund oder ein Flugzeug sehen, ob sich das Fahrrad bewegt und wenn ja, in welche Richtung.

Unser Gehirn gibt die Befehle zur Fokussierung an die Augen weiter und diese stellen dann scharf. Nichts anderes passiert in einer Kamera, mit dem Unterschied, dass die Hersteller Daten zu Motiven, Bewegungen, Formen, Farben und Co. erst einmal in den Prozessor programmieren müssen.

So übernehmen Autofokussysteme für uns ein Stück weit das „Denken“: Erkennt das System, um welches Motiv es sich handelt, kann es in Sekundenbruchteilen entscheiden, wie es zu fokussieren ist. Noch reichen die Möglichkeiten nicht an unser Gehirn heran, doch in Zukunft werden Prozessoren vielleicht sogar „besser“ sein als wir – davon gehen zumindest viele Expertinnen und Experten aus.

Im Vergleich bietet eine Sony A7R III einen Sensor mit 7.952 × 5.304 Pixeln, aber „nur“ 399 Phasendetektionspunkten. Es sei hier aber ergänzt, dass die Unterschiede auf dem Papier deutlich größer wirken, als sie es in der Praxis sind.

Anderer Hersteller, anderes System: Im Gegensatz zu dem Trend, dass immer mehr Hersteller Phasendetektionspunkte auf Kamerasensoren platzieren, entwickelt Panasonic das hauseigene DFD-System weiter.

DFD steht für „depth from defocus“ und ist ein Kontrastautofokussystem, das im Grunde zwei Aufnahmen mit minimal unterschiedlichem Fokus macht und die dadurch entstandene Differenz im Bild analysiert. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Objektivs kann die Kamera diese Veränderungen interpretieren und weiß, in welche Richtung das Objektiv fokussiert werden muss. Die Feinabstimmung des Fokus erfolgt dann klassisch per Kontrastautofokus.

Meilensteine und Kuriositäten

Die lange Geschichte der Autofokussysteme hat einige spannende, aber auch durchaus kuriose Entwicklungen hervorgebracht.

  • Polaroid SX-70 Sonar | Die faltbare Sofortbildkamera SX-70 der 70er Jahre ist als solche schon ein spannendes Designobjekt. Noch interessanter ist das berühmte „Auge“ oberhalb des Objektivs: ein Autofokusmodul, das mit Ultraschalltechnologie arbeitet.

  • Pentax ME F | Als erste Kleinbild-SLR mit Autofokus erschien 1981 die Pentax ME F. Kurios ist daran eigentlich nichts, bis wir einen Blick auf das Objektiv werfen: Sowohl der Fokusmotor als auch die Batterien finden sich direkt im Objektivgehäuse.

  • Canon FD 35-70 AF | Einen Schritt weiter ging Canon Anfang der 80er Jahre: Da das FD-Bajonett über keine elektronischen Kontakte verfügte, musste das gesamte Autofokussystem ins Objektiv wandern. Das Ergebnis ist eines der wohl ungewöhnlichsten Zooms aller Zeiten.

Das Ganze ist natürlich umso leistungsfähiger, je besser z. B. die Motiverkennung arbeitet. Aber noch einmal zurück zu Canon: Wirklich Spannendes bietet die EOS R3 mit ihrem „Eye Control AF“ – einem Autofokussystem, das mit Infrarotsensoren innerhalb des Suchers dem Auge des Fotografen folgen und so den Fokuspunkt setzen kann.

Im Zusammenwirken mit der Motivnachführung kann man also sein Objekt „anschauen“ und damit die Fokusverfolgung ebendieses Objekts anstoßen. Die Technologie ist so weit, dass der Blick nicht ununterbrochen auf diesem Objekt gehalten werden muss. Wir können also unser Auge statt eines Joysticks zum Auswählen eines Fokuspunktes nutzen.

Ganz neu ist die Technologie zwar nicht, denn Canon stellte sie bereits 1992 in der analogen EOS 5 vor, doch ist sie mittlerweile so ausgereift, dass sie in der Praxis tatsächlich Sinn macht. Hier sehen wir übrigens ein Beispiel für richtig gutes Engineering: Die Technik passt sich an den Menschen an (hier an seine Sehgewohnheiten), anstatt umgekehrt.

Autofokus-Antriebe

In der Geschichte des Autofokus gab es viel „Hin und Her“ und so wechselten die Antriebe zur Scharfstellung häufiger ihren Platz. Bei einem Nikon-Prototypen aus den 70er Jahren (4,5/80mm) saß der Antrieb samt Batterie im Objektivgehäuse, das gigantische Ausmaße und ein Kampfgewicht von 2,7 kg (!) auf die Waage brachte.

Zur Serienreife gelangte 1981 das Zoomobjektiv der Pentax ME F, das Motor und Batterien ebenfalls im Objektiv beherbergte. In den Folgejahren wanderten die meisten Motoren aber in die Kameragehäuse, um dann mit dem unaufhaltsamen Fortschreiten der Technologien wieder zurück ins Objektiv zu kommen – so wie es heute praktisch flächendeckend der Fall ist.

Manueller Exot

Autofokussysteme haben sich flächendeckend durchgesetzt und doch gibt es insbesondere ein Kamerasystem, das sich diesem Fortschritt beharrlich und durchaus erfolgreich verweigert.

Leica ist ein bekannter Traditionshersteller und natürlich finden sich auch im Portfolio des Wetzlarer Unternehmens Kameras mit Autofokus (zum Beispiel die SL). Doch bis heute ist vor allem ein Modell bekannt dafür, noch „wie früher“ zu arbeiten: die Leica M. So ganz stimmt das nicht, denn aktuelle Modelle (wie die oben abgebildete M11) sind vollgepackt mit digitaler Technologie auf aktuellstem Stand.

Doch die Scharfstellung erfolgt immer noch manuell. Mithilfe eines Messsuchers werden durch Drehen des Fokusrings zwei Teilbilder übereinandergelegt, bis sie deckungsgleich sind beziehungsweise bis Linien im Motiv nicht mehr unterbrochen werden (siehe Abbildung links).

Im Prinzip also wie bei der Phasendetektion – nur eben manuell. Fans der Leica M schätzen dies und legen Wert auf die entschleunigte und bewusstere Herangehensweise beim Fotografieren.

Die Kamera übernimmt dabei die Steuerung, die Motoren wiederum lassen sich auf das jeweilige Objektiv hin optimieren (nicht mehr „ein Motor für alle Objektive“). Bis heute verbaut Pentax übrigens noch Stangenantriebe in DSLRs, um auch ältere Objektive ohne eigenen Fokusmotor nutzen zu können. Die Objektive bleiben dadurch zwar kompakt, doch der Antrieb ist deutlich hörbar und eignet sich suboptimal zum Bewegen großer, schwerer Glaselemente, wie sie etwa in Teleobjektiven zu finden sind.

Heute stecken in Objektiven überwiegend Motoren mit sogenannter Ultraschalltechnologie, oftmals in Ringform. Diese Antriebe arbeiten nicht nur praktisch geräuschlos, sondern sind auch vibrationsarm, sehr schnell und bieten (je nach Ausführung) das besonders für größere Glaselemente nötige Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen.

Mittels Spannung werden bei dieser Technologie Ultraschallschwingungen erzeugt, die dann (je nach Motortyp) in Dreh- oder Linearbewegungen umgesetzt werden. Relativ weit verbreitet sind auch Steppermotoren (kurz: STM), die sich besonders durch ihre Laufruhe auszeichnen, aber nicht für Objektive mit großen Verstellwegen (wie zum Beispiel Superzooms) prädestiniert sind.

Relativ neu am Markt sind sogenannte Linearmotoren (auch Voice-CoilMotoren). Hierbei wird das Fokuselement mithilfe eines Magnetfelds bewegt. Durch den Verzicht auf Gewinde, Getriebe oder ähnliche mechanische Elemente sind diese Antriebe äußerst geräuscharm und verfügen über ein extrem gutes Ansprechverhalten.

Ein potenzieller Nachteil der Linearmotoren liegt allerdings darin, dass die Verstellwege von der Länge des Magneten abhängen und insofern nicht für alle Objektive optimal sind. Deshalb findet sich diese Technologie im Gegensatz zu den Ultraschall-Ringmotoren tendenziell bei kompakteren Objektiven, insbesondere bei Festbrennweiten für spiegellose Systemkameras.

Wenn der Fokus nicht passt …

Bei „klassischen“ DSLRs mit Phasendetektions-Fokusmodulen konnten Fotografinnen und Fotografen manchmal Tage damit verbringen, den Fokus für jedes Objektiv zu justieren. Dabei waren oft Kompromisse gefragt, aber vor allem gute Nerven. Eine Kamera-Objektiv-Kombi stellt verlässlich auf Unendlich scharf?

Super, doch plötzlich stimmt der Nahbereich nicht mehr … Wie diese Feinjustierung im Detail funktioniert, lassen wir an dieser Stelle einmal außen vor, denn zum Glück entfällt dies bei aktuellen CSCs in aller Regel. Dank der Platzierung der Autofokussensoren auf der Sensoroberfläche gehören degustierte Fokusmodule der Vergangenheit an.

Aber gibt es nicht dennoch hin und wieder Probleme mit der Fokussierung? Tatsächlich ist das so und es tritt primär bei Dritthersteller-Objektiven auf, die nicht immer optimal auf die Autofokussysteme der Kamerahersteller angepasst sind. Viele Hersteller kochen „ihr eigenes Süppchen“.

Einfache Justierung

Die Kombination aus Objektiv und DSLR birgt in puncto Autofokus Potential für Fehljustierungen. Doch auch moderne CSCs sind insbesondere mit Dritthersteller-Obvjektiven oder adaptierten Optiken nicht völlig frei von möglichen Unstimmigkeiten oder suboptimaler Autofokus-Performance.

Viele Kamerabodies bieten schon lange Speicherplätze für Fokusjustagen verschiedener Objkektive. Der Prozess der Justage war allerdings oft komplex und langwierig. Dank USB-Docks wie zum Beispiel der Samyang Lens Station (28,90 Euro), der Tamron Tap-in-Console (68,99 Euro) oder dem Sigma USB-Dock (38,99 Euro) lassen sich Feinanpassungen sehr einfach anwenden.

Noch spannender: Mit Hilfe dieser Docks lässt sich aktualisierte Firmware auf Objektive aufspielen, welche die Kompatibilität erhöht, den Autofokus verbessert oder gar die Implementierung neuer Autofokus-Technologien erst ermöglicht. So können Sigma, Tamron und Co. beispielsweise auch auf Firmware-Updates der Kamerahersteller reagieren.

Die Protokolle, also die „Sprache“, in der sich Kamera und Objektiv unterhalten, sind oft nicht frei verfügbar, sodass Dritthersteller via Reverse-Engineering diese zunächst entschlüsseln und dann in ihre eigenen Objektive implementieren müssen.

Da es sich hierbei in erster Linie um Programmierungsaspekte handelt, lassen sich diese sogar nachträglich anpassen und verbessern. Mittlerweile gibt es dazu Lösungen wie USB-Docks oder sogar Objektive mit USB-Anschluss (wie zum Beispiel das Viltrox AF 24mm F/1.8 FE).

Hersteller wie Sigma, Tamron oder Samyang bieten Docks an, mit deren Hilfe sich eventuelle Inkonsistenzen im Fokus korrigieren lassen, vor allen Dingen aber Firmware- Updates aufgespielt werden können. Firmware-Updates bei Objektiven?

Sie haben richtig gelesen: Heutige Autofokussysteme sind immer eine Kombination aus Kamera und Objektiv. Nur wenn beide Faktoren optimal aufeinander abgestimmt sind und sich im wahrsten Sinne des Wortes „richtig verstehen“, funktioniert der Autofokus so, wie von den Herstellern gedacht.

Laufende Verbesserung über Firmware-Updates

Apropos Firmware: Da viele moderne Features wie Augen-Autofokus, Motivverfolgung und Co. sehr stark von der „Intelligenz“ der Kamera abhängen und das „Gehirn“ der Kamera der Prozessor mit seiner Firmware ist, können die Hersteller genau hier ansetzen.

Solange der Prozessor leistungsfähig genug ist, können Hardware-unabhängige Technologien per Firmware-Update aufgespielt werden. Wir kennen dies bereits, zum Beispiel in Bezug auf die „Kaizen“-Politik von Fujifilm oder die nachträgliche Einführung des Augen-Autofokus in Kameras der Sony-A7-Reihe.

Diese Firmware-Updates kosten nichts und bringen oft signifikante Verbesserungen mit sich. Unsere dringende Empfehlung deshalb: Werfen Sie in regelmäßigen Abständen einen Blick auf die Website Ihres Kameraherstellers (oder Ihrer Objektivhersteller), um unkompliziert und vor allem kostenlos in den Genuss der aktuellsten Entwicklungen zu kommen.

Autofokus in der Praxis

Wir haben nun einen detaillierten Überblick über die Entwicklung und die Funktionsweise des Autofokus gewonnen und die wichtigsten Begriffe aus der Welt des Autofokus kennengelernt. Zeit also für einen kurzen Praxis-Exkurs:

Wann sollten Sie welchen Autofokusmodus wählen? Ein Blick in unser Glossar (s. weiter oben) verrät die wichtigsten Grundlagen, wenn Sie sich einmal mit dem „Bezeichnungsdschungel“ der Hersteller vertraut gemacht haben.

Grundsätzlich lässt sich festhalten: Der Einzelautofokus (AF-S oder One Shot) eignet sich eher für statische Motive wie zum Beispiel Porträts, Landschaften oder Architektur. Ob Sie dabei einen oder mehrere Fokuspunkte aktivieren, ist Ihnen überlassen.

Der kontinuierliche oder Verfolgungsautofokus (AF-C oder AI-Servo) eignet sich besonders dann, wenn Sie sich bewegende Motive verfolgen möchten, zum Beispiel spielende Kinder, laufende Tiere, Fahrzeuge oder Ähnliches. Wer es sich leicht machen will, setzt auf die vollautomatischen Modi (AF-A oder AI-Focus), in denen die Kamera den passenden Modus automatisch wählt.

3 Top-Kameras mit tollen Autofokus-Systemen

In jedem Kameratest berücksichtigen wir auch das AF-System. Die folgenden drei Kameras sind Empfehlungen aus drei Preisklassen.

Sony Alpha 6400 | Zum Neupreis von 899 Euro liefert die Alpha 6400 ein hervorragendes AF-System. Rund 84 Prozent des Bildsensors sind mit Fokuspunkten abgedeckt. Zudem arbeitet der AF mit Augenerkennung und Echtzeit-Tracking. Super!

Sony Alpha 7 IV | Mit der Alpha 7 IV erhalten Sie derzeit eines der besten AF-Systeme im Preissegment um 2.799 Euro. Die Profikamera bietet eine 94-prozentige Sensorabdeckung sowie verbesserte Augenerkennung bei Menschen und Tieren.

Canon EOS R3 | Mit dem im Fließtext erwähnten „Eye Control AF“ setzt die EOS R3 echte Maßstäbe. Auch im „normalen“ Fokusbetrieb kann die 5.999 Euro teure Profikamera mit hohem Tempo und exzellenter Präzision dank Dual Pixel CMOS AF II überzeugen.

Damit geben Sie natürlich die Kontrolle ab und obwohl aktuelle Modelle oft gut abliefern, funktioniert die Motiverkennung nicht immer zuverlässig. Aspekte wie Augen-Autofokus oder Gesichtserkennung lassen sich meist sowohl im Einzel- als auch im Verfolgungsautofokusmodus nutzen – besonders interessant für Film-Enthusiasten, die der Kamera die Schärfenachführung überlassen möchten.

Hier sind ausgereifte Algorithmen und leistungsstarke Prozessoren nötig, um zuverlässige Ergebnisse abzuliefern, deshalb finden sich die besten Systeme dieser Art primär in Spitzenmodellen.

Die Zukunft ist schon da

Unter schwierigen Bedingungen ist immer noch der manuelle Fokus die erste Wahl. So setzen gerade Filmemacher oft noch auf die manuelle Fokusnachführung. Die Kamera weiß schließlich nicht genau, was der Mensch dahinter wirklich vorhat oder fokussieren möchte – zumindest noch nicht.

Was die Geschwindigkeit in der Verarbeitung komplexer Vorgänge betrifft, haben Prozessoren aufgeholt. Und Geschwindigkeitsvorteile haben Autofokussysteme ohnehin: So schnell, wie moderne Autofokusmotoren arbeiten, kann kaum jemand einen Fokusring drehen.

In der Forschung geht man davon aus, dass der menschliche Vorsprung in Bezug auf die Motiverkennung geringer werden wird. Dank Deep Learning und Künstlicher Intelligenz werden wir Systeme erleben, die wir heute kaum für möglich halten. 

DigitalPHOTO-Fazit

Autofokussysteme sind einer der am stärksten innovationsgetriebenen Bereiche der Fotografie. Wir werden also noch Entwicklungen sehen, die weit über die heutigen Möglichkeiten hinausgehen. Sensoren werden „besser sehen“ als das menschliche Auge und Prozessoren immer schneller.

Gleichzeitig bedeutet das für die Fotografie, dass wir uns auf die Komposition konzentrieren können, anstatt uns um Fehlfokus Gedanken zu machen. Es wird einfacher, technisch perfekte Fotos zu machen.

Ob das dann auch gute Fotos sind, entscheiden aber immer noch andere Faktoren: Wie stark ist das Motiv? Sitzt die Komposition richtig? Wie gut ist die Geschichte, die eine Aufnahme erzählt? Da sind Sie individuell gefragt.

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