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„Meine Sehbehinderung ist durch eine Schädigung der Sehnerven vor Geburt entstanden.“ – Streetfotograf Guido Klumpe im Interview

Guido Klumpe sieht weniger als viele – doch was er daraus macht, ist faszinierend. Wir sprachen mit dem Fotografen über seine Arbeit.

Streetfotograf Guido Klumpe im Interview: durch die Straßen

Mit feinem Gespür für Bildkomposition und einem ausgeprägten Blick fürs Wesentliche widmet sich Guido Klumpe der minimalistischen Straßenfotografie. Reduktion ist für ihn keine Stilfrage, sondern das Ergebnis bewusster Entscheidungen.

Humor, Rätselhaftigkeit und Überraschung spielen dabei eine zentrale Rolle. Inspirieren lässt sich Klumpe von urbanen Szenerien, vor allem an Ausfallstraßen und in Einkaufsvierteln, wo er zwischen Betrieben, Industrie und großen Geschäften spannende Kompositionen entdeckt – und das alles trotz Sehbehinderung.

DigitalPHOTO: Ihre Bilder besitzen eine ganz eigene Handschrift. Wie würden Sie selbst Ihre Bildsprache beschreiben?

Guido Klumpe: Mein Portfolio bewegt sich in den Grenzbereichen zwischen minimalistischer Streetfotografie und abstrakter Architekturfotografie. Es sind gerade diese Grenzbereiche die mich interessieren: Ist das, was ich sehe, noch dreidimensional, oder schon zweidimensional? Ist es Malerei oder Fotografie?

Farbflächen und starke Schatten stechen ins Auge. Worauf achten Sie bei der Motivwahl – was spricht Sie an?

Ich reagiere besonders auf intensive Farben und Kontraste, ich habe mein Sehen aber auch auf den sogenannten Parallax-Effekt trainiert. Das ist der Effekt, wenn sich verschiedene Ebenen durch eigene Bewegung unterschiedlich schnell an einem vorbeiziehen. Ich liebe es, mit Ebenen zu arbeiten und diese in Beziehung zu setzen.

Sie sind sehbehindert, haben aber trotzdem eine Fotoleidenschaft entwickelt. Wie geht beides zusammen?

Meine Sehbehinderung ist durch eine Schädigung der Sehnerven vor Geburt entstanden, dadurch kann man sich meine Welt wie ein stark komprimiertes YouTube Video vorstellen: Sind in meinem Blickfeld nur wenige Objekte, kann ich so manche Details erkennen, ist dagegen viel los – zum Beispiel in einer Menschenmenge – sehe ich nur grobe Formen.

Ich bin kein Streetfotograf, der sich im städtischen Gewusel besonders wohlfühlt, nicht so wie viele, die dort gerne unerkannt untertauchen. Ich treibe mich lieber dort rum, wo nicht so viel los ist und suche mir eine interessante Szenerie aus.

Können Sie beschreiben, wie Sie vorgehen und wonach Sie suchen?

Ich baue quasi ein Bühnenbild – wenn möglich mit Vorder-und Hintergrund. Dann warte ich auf die Protagonisten und lasse das Leben geschehen. Am liebsten bin ich im strahlenden Sonnenschein unterwegs – und wenn etwas im Stadtbild kräftig leuchtet, oder ich starke Kontraste sehe, habe ich Lust mir das genauer anzuschauen.

Bei Regenwetter interessieren mich dagegen eher Reflektionen auf Flächen oder Scheiben – ich bin stark von Saul Leiter inspiriert. Ansonsten nutze ich alle Hilfsmittel, die mir meine Kamera zur Verfügung stellt, wie zum Beispiel die Bildschirmlupe.

Mit welcher Ausrüstung arbeiten Sie?

Ich möchte möglichst wenig über die Kamera nachdenken – und mich voll auf das Motiv konzentrieren.

Guido Klumpe

Ich arbeite mit der Fujifilm X-T5. Besonders die Filmsimulationen finde ich praktisch. Auch passt sie perfekt in meine Hand, und durch viele Knöpfe und Räder kann ich sie blind bedienen. Ich möchte möglichst wenig über die Kamera nachdenken, und mich voll auf das Motiv konzentrieren können.

Da passt das Bedienkonzept der Fuji. Meine Festbrennweiten habe ich irgendwann verkauft. Das Wechseln der Objektive auf der Straße finde ich hochgradig lästig. Ich habe nur noch zwei Zoom Objektive:

Das Fuji 18-120 F4 bietet mir genug Reserve im Telebereich und ist relativ leicht und klein. Das Tamron 18-50 F2.8 ist perfekt, wenn ich wenig tragen möchte oder abends unterwegs bin.

Sie stellen Ihre Arbeiten regelmäßig aus, geben auch Workshops. Wo sind Ihre Fotos demnächst zu sehen?

Ende Juli wurde im Schloss Landestrost bei Hannover eine Ausstellung eröffnet. Dort stelle ich zusammen mit dem Objektkünstler Michael Hennigs aus, der seine Plastiken nach Streetfotografien von mir gebaut hat. Weiter ist eine Open-Air-Ausstellung am Maschsee in Hannover geplant.

Außerdem freue ich mich sehr auf die Teilnahme bei der Affordable Art Fair in Hamburg ab dem 14. November. Meine Workshops dieses Jahr sind schon ausgebucht, es sind aber noch Termine für Einzelworkshops verfügbar.

Guido Klumpe

Der international erfolgreiche, sehbehinderte Fotograf aus Hannover zeigt die Skurrilität und stille Schönheit urbaner Räume. Zwischen Streetund Architekturfotografie komponiert Klumpe minimalistische Bilder voller Spannung und Rätsel – alle ungestellt, alle auf offener Straße entstanden.

www.guido-klumpe.de

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