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Report: 40 Jahre digitale Fotografie

Von wegen Megapixel-Monster im Smartphone-Format: Die erste Digitalkamera der Welt hatte gerade einmal 0,01 Megapixel, wog 3,6 Kilo und konnte nur Schwarzweißbilder aufzeichnen. Doch 1975 war das bereits ein voller Erfolg. Was in den nächsten Jahren folgte, war nicht weniger als die Revolution einer ganzen Branche.

Die digitale Fotografie ist längst eine Massentechnologie geworden: Kein Smartphone, Notebook oder Tablet kommt mehr ohne eine kleine, hochauflösende Kamera aus, von den zahllosen Digitalkameras auf dem Markt ganz zu schweigen. Vor 40 Jahren sah das allerdings anders aus: Die Kameratechnik war ausschließlich analog – bis Steven Sasson, ein junger Ingenieur bei Kodak, einen richtungsweisenden Auftrag erhielt: Er sollte auf Basis der neu entwickelten CCD-Technik – lichtempfindliche Bildsensoren, die eigentlich für die Datenspeicherung entwickelt worden waren – eine Kamera bauen. Nach einiger Entwicklungsarbeit präsentierte Sasson 1975 die erste „echte“ Digitalkamera: 3,6 Kilo schwer, mit einer Auflösung von gerade einmal 10.000 Pixeln, was einer Auflösung von 100 x 100 Pixeln entspricht – ein Bruchteil dessen, was heutzutage üblich ist. Entsprechend enttäuschend waren die Bilder, die mit diesem Prototyp geschossen werden konnten: Silhouetten waren erkennbar, die Auflösung reichte jedoch kaum, um Details eines Gesichts zu erfassen, auch Farbe fehlte noch. Zudem brauchte das Gerät über 20 Sekunden, um ein Bild aufzuzeichnen: Die Speicherung erfolgte auf den bis weit in die 1980er-Jahre an Computern üblichen Kassetten. Immerhin: Bilder konnten auch auf einem Fernseher ausgegeben werden, womit die Kamera im Kern schon die Fähigkeiten heutiger Digitalkameras besaß.

Ein weiter Weg

Bis sich die Digitalfotografie durchsetzen konnte, sollte es allerdings noch einige Jahre dauern: Kodak war nicht wirklich zufrieden mit dem Ergebnis, das Sasson erzielt hatte, und trotz vieler Verbesserungen blieb die Digitalkamera bei Kodak lange eine Spielerei der Entwicklungsabteilung. Steven Sasson schätzte, dass es 15 bis 20 Jahre dauern würde, bis sich die Technik auf breiter Front durchsetzen könnte. Umso verblüffender, das Kodak als Pionier der Digitalfotografie und Inhaber zahlloser Patente beinahe den Marktstart der ersten Digitalkameras verschlief: 1976 brachte die Firma die erste marktreife Digitalkamera – auf Basis der Kodak-Entwicklungsarbeit – auf den Markt. Ein kommerzieller Flop. Nichtsdestotrotz sammelte Kodak weiter wegweisende Patente, vergaß dabei aber die kommerziell entscheidende Entwicklung für Endkunden. Ein folgenschwerer Fehler, wie sich zeigen sollte.

Abschied vom Film

Ab den 1980er-Jahren begann die (zu Beginn noch langsame) digitale Revolution: 1981 präsentierte Sony – die Japaner waren damals führend in digitaler und analoger Videotechnik – auf der photokina in Köln die erste Endkunden-Kamera ohne Film: die MAVICA („Magnetic Video Camera“). Sie zeichnete Bilder per CCD auf einer Diskette analog auf (vergleichbar mit dem Videorekorder) – und war damit keine echte Digitalkamera, sondern eine sogenannte elektronische Analogkamera.

Dennoch konnte sich diese Technik bis weit in die 1990er-Jahre behaupten: Analogkameras mit elektronischer Aufzeichnung waren trotz ihres hohen Preises besonders in professionellen News-Redaktionen beliebt. Der Grund: Die wirklich lausige Bildqualität war für den Druck in den ebenfalls niedrig auflösenden Zeitungen kein Problem. Dafür lagen die Vorteile auf der Hand: Die Bildentwicklung entfiel, stattdessen gab es eine vergleichsweise einfache Digitalisierung der analogen Bilddaten. Noch wichtiger war allerdings die Tatsache, dass die Bilder ohne Weiteres per Telefonleitung übertragen werden konnten. So gelangten Fotos aus aller Welt schneller – und kostengünstiger – direkt in die Redaktion.

Allerdings blieben zwei Probleme für die Massentauglichkeit: Die Bildqualität war durch das analoge Verfahren nicht sonderlich hoch, zudem stießen die magnetischen Speichermedien bald an ihre Grenzen. Eine Lösung musste her, um die digitale Technik endlich auch auf dem Massenmarkt etablieren zu können. 

1988 war es dann endlich so weit: Fujifilm brachte mit der DS-1P die erste tragbare, volldigitale Kamera für den Endkundenmarkt heraus. Sie besaß eine Auflösung von 0,4 Megapixeln und speicherte Bilder auf einem RAM-Speicher. Offiziell vermarktet wurde sie jedoch nie, so dass die Verbreitung entsprechend gering ausfiel. Zeitgleich wurden die digitalen Speicherformate JPEG und MPEG entwickelt. Erste Bildbearbeitungsprogramme – wie etwa Digital Darkroom oder Adobe Photoshop – kamen auf den Markt.

20.000 Dollar

Vergleichsweise verkaufsstark war erstmalig der Nachfolger der Fuji DS-1P, die DS-X. Sie kam 1989 auf den Markt und fand tatsächlich ihren Weg zum Endkunden: 0,4 Megapixel, integrierter Blitz, einstellbare Belichtungszeit und Serienbild waren bereits bei dieser frühen „Consumer-Kamera“ an Bord. Gespeichert wurde auf DAT-Kassetten, die damals zu den größten verfügbaren digitalen Speichermedien gehörten. Wirklich erschwinglich war die DS-X jedoch nicht: Inklusive eines notwendigen Wiedergabegeräts kostete das damalige Hi-End-Kamerasystem stolze 20.000 US-Dollar. 

Kameras für die Masse

Es sollte noch einige Jahre dauern, bis Digitalkameras die magische Grenze von 1.000 USDollar unterschreiten sollten. Während Adobe bereits 1990 die erste Version von Photoshop für Macintosh-Systeme auf den Markt brachte, ließen Digitalkameras noch auf sich warten. Zwar brachten Anfang der 1990er-Jahre viele Hersteller – neben Fuji auch Kodak, Dycam und Logitech – erste Digitalkameras auf den Markt, sie waren jedoch allesamt sehr leistungsschwach und teuer. Zudem fehlte das heute allseits bekannte Display auf der Rückseite. Scanner und Drucker für den Heimbedarf hingegen erfreuten sich bereits zu dieser Zeit großer Beliebtheit, der Wunsch, Fotos sofort und ohne Umweg über eine Entwicklung oder Digitalisierung betrachten zu können, war auch im Endkundensegment groß, weshalb die großen Kameraproduzenten die Entwicklung der digitalen Kamera vorantrieben. 1995 kamen erste Webcams auf den Markt, zeitgleich entwickelte Casio mit der QV-10 die erste Digitalkamera, die ein Rückdisplay besaß. 

Digitalkamera von Apple

Die erste erschwingliche Digitalkamera für den Endkundenmarkt kam allerdings nicht von den Elektronikriesen, sondern von Apple: Mit der untern anderem zusammen mit Kodak entwickelten Quicktake 100, die 1994 auf den Markt kam, zeigte das Unternehmen, wohin die Reise gehen würde: Mit einem Preis von damals rund 750 US-Dollar und immerhin einer VGA-Auflösung von 640 x 480 Pixeln sollte die Quicktake, die in drei Linien über drei Jahre lang vermarktet wurde, die erste kommerziell wirklich erfolgreiche Digitalkamera werden. Produziert wurden die Kameras allerdings nicht direkt von Apple, sondern von Kodak und Fujifilm. Funktional besaßen die Quicktake- Kameras bereits viele Funktionen, die auch bei heutigen Modellen zu finden sind, die Speicherung erfolgte zunächst auf einem fest verbauten EPROM-Speicher mit einem Megabyte Kapazität, später sollten Smart-Media-Karten zum Einsatz kommen. Erst die Rückkehr von Steve Jobs zu Apple beendete Apples Quicktake-Zeitalter. Nichtsdestotrotz, die Zeit reichte aus, um der kommerziellen digitalen Fotografie den Weg zu ebnen.

Die welterste DSLR

Als die 1990er sich dem Ende neigten, sah der Markt für Digitalkameras schon deutlich besser aus: Neue Technologien wie Compact-Flash-Karten und USBAnschlüsse, leistungsfähigere CCDs und eine Verkleinerung von Sensoren und Elektronik sorgten dafür, dass immer mehr Megapixel auf immer kleinerem Raum Platz fanden. Webcams erfreuten sich großer Beliebtheit. Zudem fielen die Preise deutlich: 1997 kam mit der Fujifilm DX-5 eine einfache Digitalkamera für unter 350 US-Dollar auf den Markt. Gleichzeitig tauchten in diesem Jahr auch erste Konzepte für Handys mit Fotofunktion auf. Auch die erste digitale Spiegelreflexkamera, die Nikon D1, ist ein Kind der 1990er: Mit 2,7 Megapixeln, Serienbildfunktion und Wechseloptik adressierte sie erstmals professionelle Fotografen und war mit einem Preis von rund 5.000 US-Dollar erstaunlich günstig. Funktional war sie bereits mit heutigen digitalen Spiegelreflexen vergleichbar. 

Mit dem neuen Jahrtausend sollte sich auch die Digitalisierung der Fotografie endgültig durchsetzen. Speichermedien wie SD-Karten wurden günstiger, die Technik immer kleiner und leistungsstärker. Bereits 2002 waren Consumer-Kameras unter 400 Euro in jedem Elektronikmarkt verfügbar, vor allem Konica, Minolta, Kodak, Sony und Fujifilm waren hier die Wegbereiter.

Die Megapixel-Invasion

Gegen Mitte der 2000er-Jahre explodierten die Megapixel-Zahlen förmlich: Wo vorher noch vier Megapixel als hochauflösend galten, sollten schon wenige Jahre später 16 oder mehr Megapixel zum Standard werden. Die Analogfotografie hatte – außer als Liebhabertechnologie und im absoluten Profibereich – ausgedient. Im Jahr 2008 erreichten die Verkaufszahlen von Digitalkameras in Deutschland mit fast 10 Millionen Exemplaren ihren Höhepunkt. Seitdem sind die Verkaufszahlen leicht rücklaÅNufig. Ein Umbruch bahnt sich an. Der Grund: Die technische Weiterentwicklung beschränkt sich aktuell auf Erweiterungen und Verbesserungen vorhandener Systeme, Neuanschaffungen sind dadurch nicht mehr so oft nötig wie früher. 

Gleichzeitig zerren die immer leistungsstärkeren Smartphone-Kameras am Umsatz der Branche: Die Digitalfotografie ist eine inflationäre Alltagstechnik geworden, so dass mittlerweile sogar klassischen Digitalknipsen das Aus drohen könnte, da zahlreiche andere Endgeräte der Kompaktklasse Konkurrenz machen. Trotzdem ist die Branche im Aufwind: Denn neue Ansätze wie spiegellose Systemkameras und Edelkompakte sorgen für neue Impulse am Markt. Es bleibt spannend … 

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