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„Meine Bilder sind oft nah, intim und man kann die Liebe in ihnen sehen.“ Sina-Marie Schons im Interview

Echte Liebe, die über die Kameralinse spürbar wird – dafür steht die Fotografie von Sina-Marie Schons. Ihre atmosphärischen Bilder schaffen Sichtbarkeit für die queere Community.

Sina-Marie Schons im Interview: Mehr als ein Kuss

Sina-Marie Schons macht mit der Linse ihrer Kamera Liebe sichtbar. In unserem Interview berichtet sie von ihrem „Queer Kiss Project” und davon, welchen Stellenwert die Nachbearbeitung in Lightroom und Photoshop für die Wirkung ihrer Bilder hat.

DigitalPHOTO: Wie war Ihr Weg zur Fotografie? 

Sina-Marie Schons: Ich habe in meiner Jugend schon immer gerne meine Freundinnen und Freunde fotografiert, vor allem in Momenten, in denen sie die Kamera nicht bemerkt haben. Es hat mich unglaublich glücklich gemacht zu sehen, wie sehr sich die Menschen über die Erinnerungen gefreut haben.

Bereits im Alter von vier Jahren habe ich gesagt, ich wolle Künstlerin werden. Es musste also etwas Kreatives sein, ein regulärer Job kam für mich nicht infrage. Nach meinem Abitur habe mich dann zu einem Fotografiestudium entschieden und die Fotografie dann nach meinem Bachelor auch zu meinem Beruf gemacht.

Was bedeutet Ihnen Ihre Fotografie?

Die Fotografie nimmt den größten Teil meines Lebens ein. Sie ist meine Liebe, meine Passion und mein Warum. Sie bestimmt meine Tage und begleitet mich, wohin ich gehe.

Ihre Fotos sind immer sehr emotional. Wie gelingt Ihnen das?

Für mich ist das Wichtigste, dass sich die Paare sicher fühlen und so sein können, wie sie es im Alltag miteinander sind. Dafür schaffe ich einen Raum, in dem das möglich ist. In den meisten Fällen vergessen sie sogar, dass ich mit meiner Kamera da bin.

So entstehen die authentischsten Momente. Ich bin bloß stille Zuschauerin. Meine Bilder sind oft nah und intim, und man kann die Liebe in ihnen sehen. Um einen hohen Wiedererkennungswert zu erreichen, achte ich auf einen cinematografischen Bildlook.

Spannend. Wie erzielen Sie diesen?

Da ich möchte, dass meine Arbeiten wie Szenen aus einem Film aussehen, achte ich besonders auf die Farbkorrektur meiner Fotos. Bereits bei der Aufnahme fokussiere ich mich darauf, wie ich den Bildausschnitt auswähle.

Trotzdem ist die Bearbeitung meiner Bilder ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Während meines Studiums habe ich mich viel mit künstlerischer Fotografie beschäftigt. Jetzt versuche ich, Kunst und Dienstleistung in meinen Bildern zu vereinen.

Sie haben das „Queer Kiss Project“ ins Leben gerufen. Wie entstand die Idee?

Im Zuge der diesjährigen Bundestagswahlen habe ich mich gefragt, wie ich vielleicht etwas bewegen und zur Sichtbarkeit von queerer Liebe beitragen kann. Mir standen lediglich meine Kamera und eine Idee zur Verfügung. So entstand das „Queer Kiss Project“.

Erzählen Sie uns etwas mehr vom Projekt. Worum geht es da?

Ein queerer Kuss wird nicht nur als Zeichen von Liebe und Zuneigung, sondern oft auch als provokative Geste gesehen. In der Vergangenheit wurde er immer wieder als Form des Protests genutzt. Ich dachte mir: Wenn ein Kuss ein Protest sein soll, dann lasst uns laut sein.

Dafür habe ich einen Aufruf in den sozialen Medien gestartet, der in der Community großen Anklang gefunden hat. Für das Projekt fotografiere ich queere Menschen bei öffentlichen Küssen – den liebevollsten Protest, den es gibt. Unser erstes Shooting, das „Kiss-in“, fand am Valentinstag dieses Jahres statt.

Seitdem finden regelmäßig weitere Shooting-Tage in Köln und anderen deutschen Städten statt. Bisher haben 35 Paare für das Projekt vor meiner Kamera gestanden.

Worauf achten Sie beim Projekt besonders bei der Bildgestaltung?

Die Paare sollen mit ihrem Kuss an belebten Orten ein Zeichen setzen. Ich wähle Plätze aus, an denen sich viele Menschen aufhalten, zum Beispiel in Einkaufsstraßen, an Bahnhöfen, in Geschäften, in Parks oder auf Märkten. Meistens stelle ich die Personen mitten auf den Weg.

Wenn sie sich küssen, schieße ich Serienaufnahmen. Bei der späteren Bearbeitung achte ich darauf, dass nur das Paar im Fokus steht. Die Menschen im Hintergrund verschwimmen dank meiner Bearbeitung – sie sind bloße Stilmittel.

Warum der Fokus auf queere Liebe?

Queere Menschen lieben – der Welt zum Trotz. Und das berührt mich jedes Mal aufs Neue. Mit meiner Fotografie möchte ich denen eine Stimme geben, die sie brauchen. Ich möchte einen sicheren Ort bieten für diejenigen, die kaum einen haben.

Ich will Liebe sichtbar machen, die andere verstecken wollen. Besonders mit dem Projekt. Öffentliche Küsse erfordern immer Mut, besonders wenn man queer ist. Ich möchte zeigen: Liebe ist immer größer als Hass.

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Das Projekt wird das ganze Jahr weiterlaufen. Ich möchte so viele Menschen wie möglich damit erreichen und so viele Küsse fotografieren, wie es geht, egal ob in Einzelshootings oder Gruppen „Kiss Ins“. Nächstes Jahr soll es mit allen gesammelten Bildern eine große Ausstellung geben.

Zur Person

Sina-Marie Schons (25) ist Fotografin aus Köln. Sie studierte Fotografie an der University of West London. Sina-Marie fotografiert queere Liebe aller Art, um einen geschützten Raum für die Community zu schaffen und um für Sichtbarkeit zu sorgen.

Instagram: @within.a.heartbeat | @thequeerkissproject

www.withinaheartbeat.de

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