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„Für mich steht im Vordergrund, dass ich versuche bei jedem Auftrag den Charakter des Hauses abzubilden.“ – Seraina Wirz im Interview

Was macht gute Architekturfotografie aus? Wie nähert man sich einem Gebäude mit der Kamera – technisch, aber auch künstlerisch? Und welche Rolle spielt dabei der persönliche Blick? Wir haben mit der Schweizer Fotografin Seraina Wirz über ihre Arbeitsweise, Inspirationsquellen und den Reiz architektonischer Motive gesprochen.

Seraina Wirz im Interview: Struktur und Architektur

Die Architekturfotografie von Seraina Wirz lebt von Klarheit, Präzision und einer intensiven Auseinandersetzung mit Raum und Licht. Ihre Aufnahmen entstehen mit dem Ziel, die Charakteristika eines Ortes in Bildern zu erzählen.

Sie lässt die Architektur auf sich wirken und sucht nach einer Bildsprache, die dessen Eigenheiten gerecht wird. Wir haben uns mit der Schweizerin über ihre Arbeit unterhalten.

DigitalPHOTO: Frau Wirz, was genau fasziniert Sie an Architektur?

Seraina Wirz: Alles, was uns umgibt, ist Raum – ob von der Natur geformt oder vom Menschen erschaff en. Ich glaube, dass die Räume, in denen wir uns auf alten, unsere Leben prägt. Als Fotografin fühle ich mich der Wahrnehmung von Raum und dem Nachdenken über die zweidimensionale Abbildung von Raum hingezogen.

Wäre der Beruf der Architektin für Sie interessant gewesen?

Nein. Meine Leidenschaft gilt dem Sehen, nicht dem Entwerfen von Räumen. Ich schätze es sehr, dass ich durch meine Arbeit an viele unterschiedliche Orte gelange und dort Menschen begegne, die diese Räume erdacht und realisiert haben.

Im Grunde bin ich wie eine Reisende, die versucht, die Charakteristika eines Ortes in einem sehr kurzen Moment zu erfassen – und sie anschließend in einer Serie von Bildern darzustellen.

Was macht dann in Ihren Augen ein gutes Architekturfoto aus?

Licht und Schatten, Komposition und Bildausschnitt – in genau dieser Reihenfolge. Diese Elemente bestimmen für mich maßgeblich die Wirkung eines Architekturfotos. Ebenso wichtig ist der bewusste Umgang mit Farbe.

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Ich versuche möglichst klar zu sehen. Das klingt banal, ist es aber überhaupt nicht, wenn man sich den heutigen Umgang mit Fotografie vor Augen führt. Sehen ist meiner Meinung nach ein intellektueller Vorgang. Ich sehe nur, was ich erkenne. Einen fotografischen Stil habe ich hoffentlich nicht.

Es ist für mich kein Qualitätsmerkmal, wenn man dem Bild auf den ersten Blick ansieht, dass ich es gemacht habe. Für mich steht im Vordergrund, dass ich versuche bei jedem Auftrag den Charakter des Hauses abzubilden und mich nicht zu wiederholen.

Von wem erhalten Sie Ihre Aufträge?

Meist von Architektinnen und Architekten, die mich für ihre eigene Werkdokumentation beauftragen. Oft auch die öffentliche Hand als Bauherrin. Ab und zu arbeite ich für Architekturhistoriker, die mich für ein Buchprojekt anfragen. Und ein Teil meiner Auftraggeber sind Künstlerinnen, für die ich Kunstreproduktionen und Ausstellungsdokumentationen erstelle.

Können Sie das noch konkretisieren – wie sieht ein typischer Auftrag aus?

Idealerweise beginnt der Auftrag mit einer ersten Besichtigung mit dem Architekten oder der Architektin – und zwar ohne Kamera. Die Informationen aus diesem Gespräch bilden unter anderem meine Grundlage für die Fotoarbeit. Nicht selten klingen Passagen aus diesen Gesprächen beim Fotografieren nach.

Zurück im Atelier mache ich mir Gedanken zum optimalen Tagesablauf für die Fotoaufnahmen. Zu welcher Uhrzeit möchte ich wo stehen? Ich wähle die Lichtsituation abhängig von der äusseren Gestalt und der verwendeten Materialien des Gebäudes.

Oft ist die Erwartung des Auftraggebers an meine Arbeit hoch. Ein Gebäude, das viele Jahre Arbeitszeit in Anspruch genommen hat, angemessen abzubilden, ist eine vertrauensvolle Aufgabe. Mit dem Erwartungsdruck kann ich nach elf Jahren Selbstständigkeit aber gut umgehen.

Welche Kameratechnik nutzen Sie?

Für Architekturfotos arbeite ich mit der Alpa 12 Max und Rodenstock-Objektiven und dem Leaf Credo 50 Digitalback – ein verlässliches, intuitives System. Kunst fotografiere ich mit der Fujifilm GFX100, Landschaften analog mit meiner Mamyia 7 und Contax T2/G1.

Wer sind Ihre fotografischen Vorbilder?

Ein Schlüsselmoment war die Ausstellung „Time Passes“ von Robert Adams. Heute finde ich Inspiration vor allem in Ausstellungen – zunehmend auch in Malerei und textiler Kunst, mehr noch als in der Fotografie.

Die Fotografin

Nach dem Fotografie-Studium in Zürich arbeitete Seraina Wirz als Reportagefotografin. Seit 2014 leitet sie das Atelier für Architekturfotografie von Heinrich Helfenstein.

Ihr Fokus: räumliche Wahrnehmung und das Zusammenspiel von Ort und Umgebung.

https://afaf.ch

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