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„Menschen und Tiere müssen wieder lernen, im Einklang miteinander zu leben“ – Sasan Amir im Interview

Fotograf Sasan Amir gibt hier einen Einblick in sein Portfolio. Mit seiner Kamera dokumentiert er wilde Tiere sowohl in Reservaten als auch in freier Natur. Wir hatten die Gelegenheit, mit ihm über seine Anfänge zu sprechen und darüber, wie er sich das Zusammenleben von Mensch und Tier in Zukunft vorstellt.

Sasan Amir im Interview: Augenblicke in der Natur

Wenn Sasan Amir seine Expeditionen plant, möchte er nicht einfach nur mit schönen Bildern nach Hause zurückkehren. Seine zentralen Anliegen sind, auf die Lebensbedingungen wilder Tierarten aufmerksam zu machen und im besten Fall eine Symbiose zwischen Mensch und Tier zu erreichen.

Im Interview berichtet der in Saarbrücken aufgewachsene Fotograf mit iranischen Wurzeln unter anderem von einer seiner letzten Reisen in ein Reservat in Südafrika, von seinen ersten fotografischen Gehversuchen und von seinem zunehmenden Interesse am Bewegtbild.

DigitalPHOTO: Herr Amir, hätten Sie als Kind gedacht, dass Sie heute Wildtiere in Afrika, Indien oder auf Bali fotografieren?

Sasan Amir: Nein, tatsächlich nicht. Als Kind war ich allerdings schon davon begeistert, mit einer Kamera einen Augenblick für die Ewigkeit festhalten zu können. Eines meiner Lieblingsmotive war ein großer Baum direkt vor dem Elternhaus.

Die Kamera hatte eine sehr geringe Auflösung von 352x288 Pixel in der höchsten Einstellung mit einer Speicherkapazität von satten 20 Bildern. Trotzdem weckte es schnell ein Interesse in mir, das sich über die Jahre zu einer starken Leidenschaft entwickelte.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie ein Interesse für Wildlife entwickelt haben?

Naturverbunden war ich schon immer und verbrachte sehr viel Zeit im Wald oder mit dem Zelt in der Natur. So kam eines zum anderen. Heute verbindet mich die Leidenschaft zur Natur mit meiner Arbeit. Seither richtet ich mein Leben danach aus.

Eines Ihrer letzten Projekte führte Sie nach Südafrika. Was war der Grund der Reise?

Für meine Bachelorarbeit an der TH Bingen im Bereich Umweltschutz wollte ich das Verhalten von Leoparden und Geparden dokumentieren. Der Fokus lag vor allem auf der Relokalisierung der Tiere und wie gut sie sich an neue Umgebungen anpassen können.

Dafür hatte ich mehrere Zufluchtsstationen in Südafrika besucht, die Tiere über mehrere Monate beobachtet und ihre Verhaltensmuster in speziellen Situation dokumentiert und ausgewertet. Das übergeordnete Ziel in Bezug auf die Fotografie war, gefährdete Tierarten noch näher an die Herzen der Menschen zu bringen und die Wichtigkeit dieser Tiere in den jeweiligen Ökosystemen zu zeigen.

Sie berichteten, dass die Corona-Pandemie auch die Tiere betrifft. Inwiefern?

Die Parks haben durch stark fallende Einnahmen weniger Budget für die Tiere zur Verfügung. Kosten für Tierärzte, Nahrung und vor allem Wachen, die vor Wilderei schützen, sind vergleichsweise sehr hoch.

Welche Erfahrungen haben Sie vor Ort mit den Wildkatzen gesammelt?

Sowohl Leoparden als auch Geparden sind für mich absolut faszinierende Tiere, weil sie in der Lage sind, in einer solchen rauen Umgebung mit so viel Rivalität zu überleben. Auch wenn sich beide Arten auf den ersten Blick sehr ähnlich sind, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Leoparden sind viel stämmiger und stärker.

Ebenso sind sie in der Lage mit Leichtigkeit zu klettern und ihre Beute, die gut und gerne das Doppelte ihres eigenen Gewichts wiegen kann, scheinbar mühelos auf einen Baum zu hieven – eine Strategie, mit der sie ihre Nahrung vor Fressfeinden wie Löwen und Hyänen schützen.

Geparden sind schlanker und können auf bis zu 130 km/h beschleunigen. Dadurch sind sie nicht nur in der Lage, vergleichsweise leicht Beute zu reißen, sondern auch vor anderen Prädatoren zu fliehen. Sie sind gut an ihrer schwarzen Linie zu erkennen, die von den Augen bis zum Maul entlanggeht.

Wie nah kamen Sie den Tieren, waren die Tiere wirklich wild/freilaufend? Was gab es an Sicherheitsvorkommnissen?

In den Zufluchtsstationen kann man den Tieren sehr nahe kommen, da sie auch untersucht und beobachtet werden, zum Beispiel nach einer Verletzung. Das ist in der freien Natur natürlich nicht möglich – auch weil wilde Tiere in erster Linie nicht durch unser Handeln gestört werden sollten, aber auch weil viele dieser Tiere Menschen als Beute sehen könnten.

Ich hatte viele Safaris in verschiedene Reservate unternommen und dort ist es mit ein bisschen Glück möglich, von dem Auto aus schöne Aufnahme von diesen spannenden Tieren zu erstellen. Dabei wird immer empfohlen, das Auto nicht zu verlassen, da diese Raubtiere in der Lage sind, sich unbemerkt heranzupirschen. Somit war in der Regel das Auto unsere „Sicherheitszone“.

In Ihrem Portfolio finden sich nicht nur Wildkatzen. Welche anderen Tierarten haben Sie bereits fotografiert?

Da waren bisher schon einige Tiere vor der Linse. Viele Schlangen, Spinnen und Eidechsen in Asien. Aufnahmen, die größtenteils bei meinen ersten Reisen in Asien entstanden – darunter Länder wie der Iran, Indien, Singapur, Bali und die Türkei. Aber auch unsere heimischen Tierarten wie Luchse, Füchse, Milane und Rehe fotografiere ich gern.

Eines Ihrer Hauptanliegen ist es, mit Ihren Bildern die Aufmerksamkeit auf die zum Teil bedrohten Tiere zu richten. Wie denken Sie, kann das gelingen? Was möchten Sie erreichen, wenn man Ihre Bilder betrachtet?

Ich kenne es von mir selbst: Man tendiert dazu, das zu schützen, was man kennt. Daher möchte ich mit meinen Fotos den Betrachtenden diese faszinierenden Tiere näher ans Herz bringen und beim Ansehen Emotionen auslösen. Ich möchte zeigen, was für eine essenzielle Rolle die Tiere in den jeweiligen Ökosystemen spielen.

Raubkatzen sind leider weltweit davon betroffen, dass ihre Habitate von Menschen bewirtschaftet werden und sie dadurch weniger Lebensraum erhalten. Außerdem führt die intensive Landtierhaltung dazu, dass die Raubkatzen versuchen, diese Tiere zu reißen, um ihre Nahrung zu sichern, und die Bauern sie meistens erschießen.

Gibt es konkrete Lösungsideen?

Ich bin auch als Co-Gründer eines Vereins namens Terra Utopia tätig. Wir befassen uns unter anderem damit, dass Mensch und Natur wieder lernen müssen, im Einklang miteinander zu leben und bestenfalls wie eine Symbiose zu harmonieren.

Es geht dabei nicht darum, den eigenen Lebensstil von heute auf morgen komplett zu ändern und sich nur noch vegan zu ernähren oder das Auto zu verkaufen. Es geht um kleine Schritte, die dazu führen, nachhaltiger zu leben und bewusster zu konsumieren.

Lassen Sie uns zum Schluss noch zur Fototechnik kommen: Welche Kamera(s) und welche Objektive kommen bei Ihnen zum Einsatz?

Ich arbeite mit der Sony Alpha 1 und der Sony Alpha 7R IV. Der exzellente Autofokus der A1 und die hohe Auflösung eignen sich perfekt für die Wildlifefotografie. Auch die Möglichkeit, in 4K bei 120 Bildern pro Sekunde und sogar in 8K zu filmen, ist für meine Arbeit sehr interessant.

Als Objektive kommen das FE 70-200mm F2.8 GM OSS II und das FE 200-600mm F5,6-6,3 G OSS zum Einsatz. Bei Bedarf benutze ich einen 1,4fach-Telekonverter. Somit komme ich auf 840mm Brennweite – im APS-C-Modus der A1 erhalte ich dann sogar einen Bildausschnitt, der einer Brennweite von satten 1260mm entspricht.

Sie erstellen auch Videos. Gehört das heutzutage mit dazu?

Die letzten zwei bis drei Jahre wurde mein Interesse immer konkreter, da bewegte Bilder, insbesondere in Kombination mit der Vertonung, wirklich fesselnd sein können. Also setze ich Jahr für Jahr den Fokus auch vermehrt auf Videoaufnahmen. Generell muss es nicht dazugehören. Aber sowohl für die Betrachter als auch für mich ist es eine schöne Abwechslung.

Fünf Profi-Tipps für Wildlifefotografie

► 1. Wilde Tiere finden sich nicht nur in Afrika. Auch hierzulande können spannende Bilder entstehen, zum Beispiel in den Alpen.

► 2. Sollten Sie auf Safari gehen, halten Sie sich unbedingt an lokale Safari-Führer*innen, die das Gebiet und die Gefahren kennen. Keine Ausflüge auf eigene Faust!

► 3. Stören Sie die Tiere nie durch Ihr Handeln. Kein Foto ist es wert, Tieren in irgendeiner Form Schaden zuzufügen.

► 4. Im Normalfall sind Telebrennweiten unabdingbar in der Wildlifefotografie. Telekonverter verlängern die Brennweiten zusätzlich.

► 5. Kameras mit APS-C-Sensoren bieten sich für die Wildlifefotografie an, da sie durch ihren Crop-Faktor per se den Bildausschnitt verdichten. Bei Sony-Vollformatkameras (hier vergleichen wir die Alpha-7-Serie) befindet sich ein APS-C-Modus im Menü.

Der Fotograf

Sasan Amir (27) wuchs in Saarbrücken auf. Noch während seines Studiums entschied er sich, seine Energie in die Fotografie zu stecken. Besonders im Bereich Wildlife entstanden viele Projekte, die von Organisationen wie BBC-Earth, WWF und National Geographic angefragt wurden.

Workshops leitete er u. a. für Sony Deutschland.

Website: www.wildlife.global | Instagram: @sasan__san

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