Zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Die Einführung des Desktop Publishing war gerade in vollem Gange, als Adobe heute vor 20 Jahren gemeinsam mit den Entwicklern John und Thomas Knoll die erste kommerzielle Version von Photoshop auf den Markt brachte – ein Name, der zum Synonym für „Bildbearbeitung“ schlechthin wurde, und ein Programm, das regelmäßiger Neuauflagen sei Dank
Das Werk zweier Brüder
Was Thomas Knoll im Jahr 1987 auf der Suche nach ein wenig Ablenkung während seiner Doktorarbeit im Fach „Computer Vision“ begann, war zunächst nicht mehr als ein Programmiercode zur Anzeige von Graustufenbildern auf einem Schwarzweiß-Bitmap-Bildschirm. Sein Bruder John Knoll, der damals bereits bei Industrial Light and Magic (ILM), dem Visual Effects-Zweig der Star Wars-Schmiede Lucasfilm arbeitete, beschäftigte sich parallel gerade mit der Erzeugung computerbasierter Special Effects. Eine glückliche Fügung: Auf der Suche nach einer Möglichkeit, digitale Farbbilder am Computer verarbeiten zu können, bat er seinen Bruder, den Code der noch rudimentären Software weiter zu überarbeiten.
Gemeinsam erweiterten die beiden Brüder in den Folgemonaten am ersten farbfähigen Mac Schritt für Schritt das Leistungsvermögen des Programms. Im Sommer 1988 waren sie schließlich an einem Punkt angelangt, an dem dieses aus Sicht von John Knoll die Basis für ein kommerzielles Produkt darstellte. Thomas war hier zunächst weitaus zögerlicher – eine kommerzielle Anwendung zu schreiben, wusste er, war noch weitaus mehr Arbeit, als alles, was bereits hinter ihnen lag. Doch sein Bruder ließ sich nicht beirren. Während Thomas weiter im heimischen Wohnzimmer die Entwicklung von „Display“, wie die beiden ihr Baby damals noch nannten, vorantrieb, begab sich John auf die Suche nach Interessenten für das Produkt.
Auf Firmenjagd im Silicon Valley
Quark und Aldus konnten bereits Konkurrenzprodukte vorweisen oder waren gerade dabei diese vorzubereiten. Bei SuperMac, einem weiteren Kandidaten, machten finanzielle Schwierigkeiten sowie das bereits vorhandene Produkt PixelPaint ein Abkommen unmöglich. Über den Besuch bei SuperMac ergab sich jedoch der für die Knolls wichtige Kontakt zu David Biedny, Berater der Firma und aus seiner Zeit als technischer Redakteur des MacUser Magazines mit diversen Start-up-Unternehmen aus dem Silicon Valley vertraut. Er gab schließlich den entscheidenden Tipp, die Software einmal Adobe Systems, vorzustellen, die bereits mit Produkten wie PostScript und Illustrator den DTP-Markt bereicherten.
Vertrag per Handschlag
Im kalifornischen San José fand schließlich im September 1988 ein erstes Treffen zwischen John Knoll, Adobes Firmengründer John Warnock, Fred Mitchell, dem damaligen Director of Business Development and Strategic, und Russell Brown, zu diesem Zeitpunkt Art Director bei Adobe, statt. Bereits nach einer viertel Stunde musste Warnock das Meeting jedoch aus zeitlichen Gründen verlassen. Im Türrahmen nach seiner spontanen Einschätzung gefragt, erwiderte er nur mit einem kurzen „Ich denke, wir sollten es nehmen“.
Russell Brown, der kurz zuvor eine Geheimhaltungsvereinbarung mit Letraset getroffen hatte, um sich deren neues Bildbearbeitungsprogramm ColorStudio anzusehen, reagierte weitaus weniger zurückhaltend: Er war spontan davon überzeugt, dass Photoshop das Potential haben könnte, ColorStudio den Rang abzulaufen. Aufgeregt rannte er nach der Präsentation in Warnocks Büro und teilte ihm mit: „John, wir sollten es kaufen“, woraufhin Warnock entgegnete „Das werden wir“. Per Handschlag wurde der Abschluss des Geschäfts besiegelt, ein schriftlicher Vertrag folgte im Frühjahr 1989: Adobe wurde zunächst allerdings nur Lizenznehmer und vereinbarte mit den Brüdern eine Summe von 250.000 US-Dollar für die ersten beiden Jahre.
Beginn einer neuen Ära
Am 19. Februar 1990 veröffentlichte Adobe schließlich Photoshop 1.0. Anfangs eine reine Mac-Anwendung, wurde das Programm ab Version 2.5 auch windowstauglich und wechselte 1995 für rund 34,5 Millionen US-Dollar schließlich doch noch den Besitzer: Die Brüder verkauften ihre Rechte endgültig an Adobe. „Vor 20 Jahren ging Adobe davon aus, etwa 500 Exemplare von Photoshop pro Monat zu verkaufen“, so Photoshop-Miterfinder Thomas Knoll. „Rückblickend kann man sagen, dass diese Prognose weit übertroffen wurde! Es ist unglaublich, dass Millionen von Menschen die Software heute im Einsatz haben. Wir wussten damals, dass wir eine wegweisende Technologie in unseren Händen halten. Aber wir hätten niemals erwartet, dass sie einen so großen Einfluss auf die Bilder, die wir um uns herum sehen, haben würde. Die Möglichkeit, jemanden einfach innerhalb eines Bildes zu platzieren, war nur der Anfang der Magie, die Photoshop heute umgibt.“
Heute ist Photoshop nahezu überall präsent: Plakatwände, Zeitschriften-Cover, bedeutende Kinofilme oder auch das Logo auf der Kaffeetasse, aus der man jeden Morgen trinkt. All diese Dinge sind vermutlich im Laufe ihrer Entstehung mit dieser Software in Berührung gekommen. Über 90 Prozent aller Kreativ-Profis haben Photoshop auf ihren Rechnern im Einsatz. Photoshop wird heutzutage von Berufsfotografen, Grafik-Designern und Werbetreibenden wie auch von Architekten, Ingenieuren oder sogar Ärzten genutzt. Egal, ob es um visuelle Effekte für den Kinofilm Avatar, die Zusammenarbeit mit rechtsmedizinischen Instituten oder darum geht, mit dem menschliche Auge herauszufinden, ob es sich um ein reales oder künstlich erschaffenes Bild handelt – Photoshop findet immer wieder neue Einsatzbereiche, Nutzer und Fürsprecher.
20 Jahre – „and still going strong“. Wir gratulieren!
Ein Tipp für alle Nostalgiker und alle, die Photoshops Macher der ersten Stunde persönlich kennen lernen möchten: Für eine Sondersendung der Online-Plattform Adobe TV hat sich das Team von damals zum ersten Mal seit 18 Jahren wieder an einem Tisch versammelt, um über seine frühere Arbeit zu diskutieren und Photoshop 1.0 an einem alten Mac von damals zu präsentieren.
Weitere Informationen zu Photoshop finden Sie Online unter www.adobe.com/de sowie auf der offiziellen facebook-Seite von Photoshop.
Foto & Bildrechte bei Jeff Schewe Photography.
null