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Die Macht der Bilder: Was Fotos in uns bewegen

Wir Fotografinnen und Fotografen haben oftmals so viel mit den Einstellungen unserer Kameras und der Bildkomposition zu tun, dass wir gar nicht mehr sehen welche Wirkmacht Bilder entwickeln können. Dabei wird Geschichte unter anderem durch unser Medium gestaltet. Momentaufnahmen gehen um die Welt und prägen die Erinnerung einer ganzen Nation. So beispielsweise geschehen mit der Aufnahme des Bruderkusses von Leonid Breschnew und Erich Honecker im Jahr 1979. Ein Bild, dass bis heute nicht nur Zeitzeugen sondern auch die nachfolgenden Generationen bewegt. Fotos können so viele unterschiedliche Emotionen in Menschen auslösen, dass die Wirkungskraft dahinter wie eine Welle über den Globus rollt.

Warum haben Bilder überhaupt Wirkmacht?

Doch zuallererst müssen wir uns die Frage stellen, warum Bilder überhaupt eine derartige Wirkmacht ausüben können. Da spielt erst einmal die bloße Visualität eine Rolle. Auch wenn Worte selbstverständlich ihre Wirkung zeigen, haben Bilder ihnen gegenüber einen ganz entscheidenden Vorteil. Schließlich wirken sie direkter auf das Bewusstsein. Eine Verarbeitung beim Prozess der Kognition ist bei ihnen, anders als bei Schrift und Sprache, nicht mehr nötig. Stattdessen dringen Bilder noch unmittelbarer zu uns vor. Das hat Vor- und Nachteile, mit denen wir uns gleich noch beschäftigen werden.

Erinnerungen und berühmte Fotografien

Die Macht der Bilder lässt sich übrigens am besten dann begreifen, wenn wir unsere eigenen Erinnerungen überprüfen. Denn tatsächlich gibt es immer wieder verschiedene Abbildungen, die unsere Erinnerungen an weltgeschichtliche Ereignisse entscheidend prägen. Fotos der feiernden Menschen auf der bröckelnden Berliner Mauer, der schwebende Astronaut als erster Mensch auf dem Mond oder die Frau, die bei einer Anti-Kriegs-Demonstration Blumen in die Gewehrläufe der Soldaten steckte. Diese Fotos kommen uns unmittelbar ins Gedächtnis wenn wir an die dazugehörigen Ereignisse denken.

Derartige symbolträchtige Fotos gibt es praktisch zur Illustration jeder Begebenheit von weltgeschichtlicher Relevanz. Dafür genügt ein Blick auf die Galerie der Pressefotos des Jahres, das regelmäßig von einer unabhängigen Jury gekürt wird. Dass sie unsere Erinnerung daran prägen, dürfte am gerade genannten Beispiel schon gut zur Geltung gekommen sein. Bemerkenswert ist daran aber auch, dass diese Einzelbilder unsere Erinnerung oft wesentlich stärker prägen als die eigentlich komplexen Zusammenhänge eines geschichtlichen Zusammenhangs.

Wie beeinflussen uns Bilder?

Doch was macht Bilder denn überhaupt so eindrucksvoll, dass sie unvermittelt die unterschiedlichsten Gefühle in uns auslösen können? Gerade die Tatsache, dass sie so unmittelbar auf uns wirken sorgt dafür, dass sie uns unbewusst beeinflussen können.

Anders als Sprache oder Schrift, beides konstruierte Kommunikationsformen, können wir Bilder viel unmittelbarer und intuitiver wahrnehmen. Sie können von unserem Gehirn um ein Vielfaches schneller erkannt werden. In nur rund 0,1 Sekunden haben wir den grundlegenden Inhalt eines Fotos erfasst. Gleichzeitig fällt es uns leichter eine größere Menge an Bildinformationen zu speichern. Nach einigen Tagen können wir uns leichter an bildhafte Informationen erinnern als etwa an eine Liste mit Wörtern.

Die visuellen Reize spielen eine zentrale Rolle in unserem Gedächtnis und bei der Abspeicherung von Erfahrungen, Erinnerungen und Informationen. Jedes Bild nehmen wir deshalb auch ganz individuell und subjektiv wahr. Dabei gibt es bestimmte Merkmale und Kriterien, die universell gültig sind und von jedem in gleicher Art und Weise interpretiert werden, andere hingegen lösen unterschiedliche Reaktionen hervor, da sie mit verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten zusammenhängen.

Die Wahrnehmung von Bildern und die Psychologie

Doch es gibt noch mehr Gründe, weshalb sich manche Bilder in unser Gedächtnis einbrennen, wohingegen uns andere völlig unberührt lassen. Ein wichtiges Element, das auch ganz gezielt von Fotografen eingesetzt werden kann, ist die Farbe.

Denn tatsächlich ist unsere Farbwahrnehmung oftmals bereits durch unsere Sozialisierung und vor allem unsere Instinkte vordeterminiert, sodass wir verschiedenen Farbtönen unterschiedliche Assoziationen zuordnen. Bei Farbfotos ist also davon auszugehen, dass diese farbenpsychologische Wirkung auch auf uns Auswirkungen hat. Dabei nutzt selbstverständlich nicht nur die Pressefotografie farbenpsychologische Effekte, sondern etwa auch die Werbeindustrie. Schließlich sollen Anzeigen möglichst schnell das Unterbewusstsein erreichen und potenzielle Käuferinnen und Käufer dazu anregen, die Waren zu kaufen.

Gerade die Signalwirkung bestimmter Farben wie etwa Rot oder Weiß wird dabei gern genutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Die Images, die die Firmen dabei auf Werbefotos transportieren wollen, sind ganz unterschiedlich und unterscheiden sich dabei je nach Branche ganz erheblich.

Auch wir selbst können beim Fotografieren ganz gezielt die Farbwirkung ausnutzen, um ein Bild mit einer ganz bestimmten Bedeutung aufzuladen oder gewisse Emotionen damit anzusprechen.

Weitere Möglichkeiten der Bildgestaltung

Um die Bildwirkung zu beeinflussen, können wir uns nicht nur der Farbe bedienen, auch andere Kriterien lassen sich gezielt steuern um die Aussage eines Fotos in eine bestimmte Richtung zu bringen:

  • Perspektive: Mit der Frosch- oder Vogelperspektive hat sicher jeder schon einmal gespielt. Je nachdem aus welchem Blickwinkel ein Objekt aufgenommen wird, kann dessen Wirkung stark beeinflusst werden.
  • Bildausschnitt: Durch die Wahl des Bildausschnittes kann die Aufmerksamkeit in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt werden. Gleichzeitig ist es möglich, andere (unwichtige) Teile in den Hintergrund zu rücken oder ganz auszublenden und zu entfernen.
  • Kontextbezug: Wird das zentrale Objekt gezielt mit bestimmten anderen Dingen zusammen Fotografiert, färben deren Eigenschaften ebenfalls ab. So können durch die Assoziationen, die mit ganz unterschiedlichen Dingen oder Situationen verbunden sind in der Bildkomposition ganz neue Eindrücke erzielt werden.
  • Lichtwirkung: Durch eine gezielte Beleuchtung können wichtige Dinge in einem Bild hervorgehoben und andere hingegen ausgeblendet – im Dunkeln gelassen werden.
  • Nachträgliche Bildmanipulation: Photoshop und Co. bieten für die nachträgliche Bearbeitung unzählige Möglichkeiten der Gestaltung, von Farbkorrekturen, Montagen oder Collagen bis hin zur völligen Verfremdung, etwa mit Filtern.

Produktfotografie

In sehr interessantes Feld in dieser Hinsicht ist übrigens die Produktfotografie. Hier gilt es, sämtliche Register zu ziehen, um den jeweiligen Gegenstand perfekt zu präsentieren und auch gewissermaßen emotional aufzuladen. Hier gelten andere Regeln, als in der „normalen“ Fotografie – durch die richtige Inszenierung hat das Bild in der Regel kaum noch etwas mit der Wirklichkeit zu tun. Dennoch soll das Foto oft möglichst realistisch und natürlich wirken. Dieser Leitfaden zeigt, wie Produkte möglichst ansprechend dargestellt werden können. Wir wollen hierfür ein paar Beispiele dafür geben

  • Größenverhältnisse und Inszenierungen müssen stimmen.
  • Produkte sollten möglichst plastisch erscheinen, um realistischer auszusehen.
  • Für glänzende Produkte gelten andere optische Regeln als beispielsweise für Nahrungsprodukte. Diese werden oft als besonders frisch und knackig inszeniert und sollen den Konsumentinnen und Konsumenten nahelegen, das Produkt gleich selbst konsumieren zu wollen.

Die Produktfotografie ist dabei ähnlich manipulativ wie die Fashionfotografie, bei der Models bestimmte Kleidung zur Schau stellen sollen. Ob die zur Schau gestellte Ware tatsächlich mit den Attributen aufwarten kann oder ob das Bild dabei nicht ganz der Realität entspricht, ist in der Tat für die Produktfotografie im ersten Moment nebensächlich.

Anforderungen an den Konsumenten

Die benannten Methoden der zielgerichteten Fotografie, sind sehr effektiv. Genau aus diesem Grund ist es für uns, die wir sowohl Fotos konsumieren als auch produzieren, grundlegend notwendig, eine hohe Medienkompetenz aufzuweisen. Es ist wichtig, dass alle Menschen, die der permanenten medialen Reizung ausgesetzt sind, wissen, wie sie mit dieser umzugehen haben. Als Fotografen wissen wir, welche Methoden der Bildmanipulation es gibt und dass nicht immer alles Gold ist, was auf den Fotos so schön glänzt.

Betrachten wir Fotos in den heutigen Medien, sollte klar sein, dass viele davon inszeniert sind und eine beschönigende Sicht zeigen oder auch einen manipulativen Charakter haben. Oftmals gilt dies heute auch für Pressefotos. Auch hier sind viele Abbildungen gezielt verändert und sollten von uns stets kritisch betrachtet werden.

Fazit

Die Komplexität des Bereichs der Fotografie, die das Medium letztendlich zum Instrument für einen ganz bestimmten Zweck macht und damit auch ein Stück weit von der eigentlichen Fotokunst wegbringen, kann sicherlich nicht in so kurzer Zeit und auf so kurzem Raum zusammengefasst werden. Viel wichtiger ist es allerdings auch, dass die Konsumentinnen und Konsumenten von Fotos eine gewisse Reflexionsfähigkeit entwickeln. Was Fotos zeigen, bedeutet nicht immer die Wahrheit und ist bei weitem nicht immer glaubwürdig. Gleichzeitig können wir die verschiedenen Möglichkeiten der Bildgestaltung selbst nutzen, um ausdrucksstarke Bilder zu schaffen.

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