Ratgeber

Semiprofis: Warum wir die Mittelklasse lieben

Mittelklasse sticht Einsteigerklasse! Wer bereit ist, für seine neue Kamera etwas tiefer in die Tasche zu greifen, bekommt ein Modell, das sich an semiprofessionelle Fotografen richtet. Doch was bedeutet das überhaupt? Wo liegen die Unterschiede zu anderen Klassen? Wir klären Sie auf!

Wie unterscheiden sich eigentlich Einsteigerkameras von semiprofessionellen und professionellen Kameras? Die deutlichste Unterscheidung findet man natürlich beim Preis. Nehmen wir als Beispiel die Einsteiger-DSLR Nikon D3400. Die bekommt man im Handel schon für 390 Euro. Für eine Kamera für den semiprofessionellen Anspruch muss man da schon deutlich tiefer in die Tasche greifen. In diesem Segment bietet Nikon zum Beispiel die D7200 an, die circa 900 Euro kostet. Während viele enthusiastische Hobbyfotografen wahrscheinlich noch bereit sind, solch einen Preis für eine neue Kamera zu zahlen, dürfte beim Profimodell Nikon D5 die Schmerzgrenze bei der großen Mehrheit wohl überschritten sein. Stolze 6.700 Euro kostet das Kameraflaggschiff!

Wie rechtfertigen sich solche Preisunterschiede? Macht eine D5 wirklich 17-mal so gute Bilder wie eine D3400? Um die Unterschiede zwischen den Kameras anschaulich zu erläutern, macht es Sinn, sich die verschiedenen Einsatzszenarien, für die die Kameras gedacht sind, einmal vor Augen zu führen. So richtet sich eine Einsteigerkamera ausschließlich an Anwender, die nur gelegentlich fotografieren möchten und trotzdem auf eine hochwertige Kamera Wert legen. Zum Einsatz kommt diese dann hauptsächlich bei Urlaubsreisen, Spaziergängen und auf Familienfeiern. Der eine oder andere wird zudem mit seiner Kamera auch experimentieren wollen – beispielsweise Makrofotos aufnehmen und schöne Porträtbilder mit unscharfem Hintergrund selbst erstellen. Aus diesem Grund sind Automatik- und Motivprogramme bei Kameras dieser Klasse sehr wichtig. Trotzdem bieten auch Einsteigerkameras die Möglichkeit, sämtliche Kameraeinstellungen manuell vorzunehmen. So bietet die Kamera genügend Spielraum, dass Fotografen auch mal etwas ausprobieren können, wenn sie sich sicher genug mit der Technik fühlen.

Wofür stehen Semiprofi-Cams?

Semiprofessionelle Kameras hingegen sind für sogenannte Foto-Enthusiasten gedacht. Gemeint sind damit Anwender, die die Fotografie als leidenschaftliches Hobby betreiben und möglicherweise damit auch etwas Geld verdienen. Bei diesen Anwendern kommt die Kamera regelmäßig zum Einsatz. Die Vollautomatik wird dabei links liegen gelassen. Stattdessen werden bei Aufnahmen Blende und Verschlusszeit manuell eingestellt, auf ausgewählte Bildinhalte fokussiert und die Schärfentiefe bewusst gesetzt. Die Foto-Enthusiasten legen zudem Wert auf hochwertige Objektive und nutzen auch Zubehör wie Stative, Aufsteckblitze und vielleicht sogar Reflektoren. Semiprofessionelle Kameras müssen höheren Ansprüchen gerecht werden als Einsteigerkameras.  So müssen sie vor allem schnell sein und die Möglichkeit bieten, exakt zu fokussieren. Schließlich soll solch eine Kamera für alle erdenklichen Motive gerüstet sein – vom Wildtierfoto mit Teleobjektiv auf Safari über scharf getroffene Vögel im Flug und Makrofotos mit zentimetergenau getimter Schärfe bis hin zum Low-Light-Bild, bei dem man sich nicht über Unschärfe und Bildrauschen ärgern muss.

"Semiprofi-Kameras sind Einsteigermodellen deutlich überlegen."
– Markus Siek, Autor DigitalPHOTO

Professionelle Kameras richten sich, wie der Name schon richtig sagt, an Profifotografen. Diese Modelle sind für den täglichen Einsatz konzipiert und müssen demnach eine Menge wegstecken. Und das ist tatsächlich schon ein entscheidender Grund für den hohen Preis. Wenn eine Kamera jeden Tag 200-mal und mehr ausgelöst wird, stellt das hohe Anforderungen an die Mechanik – vor allem beim Spiegel einer DSLR. So sind professionelle DSLRs für viel mehr Auslösungen ausgelegt als andere Modelle. Sie sind robuste Arbeitstiere, die in allen erdenklichen Umgebungen zuverlässig funktionieren müssen. Deshalb sind Profikameras auch deutlich schwerer als Einsteigerkameras. Billiges Plastik sucht man hier beim Gehäuse nämlich vergeblich.

Technische Unterschiede

Die drei Kameraklassen unterscheiden sich natürlich nicht nur durch den Einsatzzweck, für den sie gedacht sind, und durch den Preis. Auch technisch gibt es zwischen den einzelnen Modellen deutliche Unterschiede. Für viele dürfte es überraschend sein, dass es bei der maximalen Bildauflösung keine nennenswerten Unterschiede gibt. So bietet das Profimodell Nikon D5 gerade einmal 20,8 Megapixel – und damit sogar weniger als die Einsteiger-Kamera D3400 Tatsächlich ist die Auflösung heutzutage in der Regel kein nennenswertes Qualitätskriterium einer Kamera mehr. Ein Beispiel: Für eine optimale Druckqualität rechnet man mit 60 Pixeln pro Zentimeter – das entspricht 152 dpi. Damit könnten Sie mit einer 20,8-Megapixel-Kamera Ausdrucke mit einer Größe von 85,9 x 64,1 cm in optimaler Qualität erstellen lassen! Höhere Auflösungen bräuchte man demzufolge nur für sehr spezielle Anwendungen. Beispielsweise, wenn verlustfrei Ausschnittsvergrößerungen von Bildern angefertigt werden sollen.

Tipp zur Preisentwicklung

Wenn Sie sich eine neue DSLR oder CSC anschaffen möchten, sollten Sie, wenn Sie sich für ein Wunschmodell entschieden haben, nicht direkt beim aktuell günstigsten Angebot zuschlagen. Warum nicht? Ganz einfach: Bei hochpreisigen Produkten gibt es immer wieder extreme Preisschwankungen – also Ausschläge nach unten oder oben. Ein Beispiel: Die Profikamera Nikon D5 kostete am 9. März 2017 beim günstigsten deutschen Online-Shop 6.700 Euro. Hätte man die Kamera drei Wochen vorher gekauft, hätte der günstigste Preis bei 5.900 Euro gelegen. In diesem Fall hätten Sie also satte 800 Euro gespart! Für Schnäppchenfüchse lautet deshalb unser Tipp: Überprüfen Sie vor dem Kauf, ob sich der Preis gerade auf Talfahrt befindet oder einen Gipfel erreicht hat. Nachprüfen lässt sich dies ganz leicht über den Preistrend auf der Seite www.idealo.de. Dort können Sie für jedes Produkt die Preisentwicklung der letzten 90 Tage online nachverfolgen!

Schneller, präziser Autofokus

Ein deutlicher Unterschied zwischen den Kameramodellen fällt hingegen auf, wenn man sich den Autofokus der Kamera genauer anschaut. So bringt eine D3400 gerade einmal 11 Autofokus-Punkte mit. Die Semiprofi-Kamera D7200 liefert im Gegensatz dazu 51 – und die D5 sogar 153! Wenn eine Kamera viele Autofokuspunkte mitbringt, kann sie exakter und deutlich schneller fokussieren. Das macht für Landschaftsfotos im Urlaub keinen nennenswerten Unterschied. Für Sport-, Action- und Eventfotos bietet ein professioneller Autofokus hingegen einen unschätzbaren Vorteil. Hier stoßen „langsame“ Einsteigerkameras an ihre Grenzen. Bevor sich der Autofokus bequemt hat, scharf zu stellen, ist das Zeitfenster für eine tolle Aufnahme längst wieder zu. Die Geschwindigkeitsunterschiede machen sich auch bei Serienbildaufnahmen bemerkbar. So liefert eine D3400 maximal 5 Bilder pro Sekunde, die D7200 im besten Fall 7 Bilder und die D5 bis zu 14 Bilder! Auch hier profitieren Fotografen vor allem dann von der hohen Geschwindigkeit, wenn bei einem Motiv keine Zeit bleibt, lange zu fokussieren. Also beispielsweise dann, wenn sich Objekte schnell bewegen und man nur wenige Sekunden hat, ein klasse Foto aufzunehmen.

Ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen den Kameraklassen stellt der verbaute Sensor dar. So ist in der Einsteiger- und der Semiprofi- Klasse der APS-C-Sensor (bei Nikon DX) Standard. Bei Profikameras findet man hingegen ausschließlich Vollformat-Sensoren (bei Nikon FX). Ein Vollformat-Sensor ist mehr als 2,5 Mal so groß wie ein APS-C-Sensor – was auch die Größenunterschiede zwischen den Kameragehäusen erklärt. Durch den größeren Bildsensor kann eine Profikamera mehr Licht aufnehmen. Das führt zu schnelleren Belichtungszeiten bei schlechten Lichtverhältnissen. Ein entscheidender Vorteil für den Fotografen, weil er so bei vielen Motivsituationen auf einen Blitz oder ein Stativ verzichten kann. Zudem bietet das Vollformat den Vorteil, dass, falls man das möchte, mit einer sehr geringen Schärfentiefe fotografiert werden kann. Fotografen können mit einer entsprechenden Offenblende so zum Beispiel sogar bei Porträtfotos die Schärfe bewusst nur auf die Nasenpartie legen. Die geringe Schärfentiefe in der Praxis zu handeln, will jedoch gelernt sein, weshalb Vollformat-Kameras für Einsteiger nicht unbedingt die beste Wahl darstellen.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen den Kameraklassen sind jetzt also herausgearbeitet. Da bleibt bei vielen möglicherweise nur die Frage offen, ob es sich lohnt, für eine Kamera der nächsthöheren Klasse mehr Geld auszugeben. Bei Profikameras ist die Antwort recht einfach: Diese lohnen sich in der Tat nur für Profis, die die Kamera täglich einsetzen. Ambitionierte Hobbyfotografen sollten sich stattdessen in der semiprofessionellen Kameraklasse bedienen. Diese Kameras bringen deutlich mehr Autofokuspunkte mit als Einsteigermodelle, sind fixer und punkten zudem auch mit einem schnelleren Serienbildmodus. In Verbindung mit lichtstarken, hochwertigen Objektiven bekommt das Fotografenherz damit alles, was man braucht.

Vollformat nicht nur für Profis

In der Praxis werden Sie auch mit APS-C-Sensoren alle erdenklichen Motivsituationen meistern können. Wer dennoch lieber auf eine Vollformat-Kamera zurückgreifen möchte, wird auch hier in der Klasse für semiprofessionelle Fotografen fündig. Canon bietet beispielsweise mit der EOS 6D, die im Handel ab 1.250 Euro zu haben ist, ein entsprechendes Modell an. Das Pendant von Nikon ist die D610, die rund 100 Euro mehr kostet. Im Vergleich zu den Topmodellen unter den APS-C-Kameras sind die günstigen Vollformat-DSLRs in Bezug auf die Geschwindigkeit etwas langsamer. Zudem müssen die Fotografen mit weniger Autofokuspunkten auskommen. Letztendlich muss man sich beim Kauf also entscheiden, auf welche Kameraeigenschaft man mehr Wert legen möchte. Auf eine optimale Bildqualität plus maximalen kreativen Spielraum oder auf eine höhere Kamerageschwindigkeit und einen präziseren Autofokus. Nicht vergessen darf man im Übrigen, dass Vollformat-Kameras deutlich höhere Ansprüche an die Qualität der verwendeten Objektive haben. Der Grund dafür ist simpel: Bei APS-C-Kameras werden die Bildränder, die durch das Objektiv eingefangen werden, gar nicht vom Sensor aufgezeichnet. Vollformat-Sensoren hingegen verzeihen kleine Unschärfen und Abbildungsfehler am Objektivrand!

Semiprofessionelle CSCs

Während bei DSLRs die Abgrenzung zwischen semiprofessionellen und professionellen Kameras relativ leicht von der Hand geht, ist das bei spiegellosen Systemkameras deutlich komplizierter. Ein Grund dafür: Von Profifotografen werden CSCs in der Praxis kaum eingesetzt. Wenn überhaupt, dann als Zweitkameras, wenn Reisen anstehen, bei denen man keine große DSLR mitschleppen möchte. Des Weiteren sind CSCs als Reportagekameras beliebt – beispielsweise für Street- und City-Fotos. In der Studiofotografie hingegen sind Systemkameras bisher noch Exoten, die man nur sehr selten zu Gesicht bekommt. Aus diesem Grund ist es vor allem der Preis, über den sich eine Unterscheidung Profi- und Semiprofi-Kamera treffen lässt. Der Semiprofi-Bereich beginnt bei CSCs ungefähr bei 400 Euro. Für diesen Preis bekommt man beispielsweise Canons kompaktes CSC-Modell EOS M3. Sonderlich schnell ist die APS-C-Kamera jedoch nicht. Maximal 4 Bilder pro Sekunde schafft sie im Reihenaufnahmenmodus. Ein weiterer großer Nachteil für anspruchsvolle Fotografen: Die Kamera bringt keinen elektronischen Sucher mit. Die Motivkontrolle muss also über das Kameradisplay erfolgen. Optional kann man einen Aufstecksucher für 230 Euro nachrüsten.

Deutlich interessanter als die EOS M3 dürfte da die Sony Alpha 6500 sein, die qualitativ, leider aber auch preislich, in einer völlig anderen Liga spielt. Die Sony erinnert von ihrer Gehäuseform und –größe an eine gewöhnliche Kompaktkamera. Im Inneren jedoch versteckt sich ein APSC-Sensor, ein ultraschneller Autofokus mit 425 Phasendetektions-Punkten und bis zu 11 Fotos pro Sekunde im Serienbildmodus. Zudem punktet die Kamera mit Videoaufnahmen im hochauflösenden 4K. Für die Edel-CSC müssen Fotografen tief in die Tasche greifen. Rund 1.550 Euro kostet die Kamera im Handel. Eine der beliebtesten Systemkameras, die aktuell im Handel angeboten werden, ist die Fujifilm X-T2, die für rund 1.630 Euro zu haben ist. Fujifilm setzt bei der Kamera einen selbst entwickelten X-Trans-Sensor ein – einen optimieren APS-C-Bildsensor, der ohne Tiefpassfilter auskommt und sich unter anderem durch extrem geringes Bildrauschen auch bei hohen ISO-Einstellungen auszeichnet. Bis zu 14 Bilder pro Sekunde nimmt die Kamera im Serienbild modus auf. Ein intelligenter Hybrid-Autofokus sorgt für ein schnelles Scharfstellen!

Vollformat bei CSCs

Eine interessante Vollformat-CSC kommt aus dem Hause Sony. Die Sony Alpha 7 II, die ab 1.509 Euro zu haben ist, ist wie die Alpha 6500 eine E-Mount-Kamera. Zum Einsatz kommt ein Hybrid-Autofokus (Phasendetektion/ Kontrastdetektion). Für Sport- und Actionaufnahmen ist die Kamera aufgrund ihrer limitierten Geschwindigkeit nur bedingt geeignet. Maximal 5 Bilder pro Sekunde schafft die Kamera im Serienbildmodus. Dafür jedoch können Fotografen für einen vergleichsweise günstigen Preis alle Vorzüge des Vollformats genießen!

Den gesamten Artikel finden Sie in der DigitalPHOTO 05/2017.

DigitalPHOTO-Fazit

Für ambitionierte Hobbyfotografen kommen Einsteigerkameras beim Kauf nicht infrage. Günstige Modelle sind zu langsam und technisch limitiert. Semiprofessionelle Kameras hingegen sind technisch so ausgereift, dass sie für alle Motivsituationen optimal ausgestattet sind. Dabei bieten sie auch unerfahrenen Fotografen dank diverser Motivprogramme und Halbautomatiken alle nötigen Hilfestellungen. Deutlich mehr auszugeben und sich bei den Profikameras zu bedienen, lohnt sich für Foto-Enthusiasten in der Regel nicht.

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